In Angst, Entspannungstraining, Mensch-Hund-Beziehung, Tierarzt
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Die Erinnerung an letzten Dienstag fühlt sich noch ganz furchtbar an. Ich war innerlich ganz nah bei Nomi, war aber auch selbst so angespannt, verletzlich, und bin einer der ca 15-20% „hochsensiblen“ Menschen.

Nomi musste auf dem Rücken liegen in einer Schaumstoffvorrichtung. Da ich glaube, dass ihre Lendenwirbelsäulen-Probleme vom Auf-den-Tisch-und-Runter-Heben bei unserem letzten nächtlichen Tierklinikbesuch gekommen waren, wollten wir dass so vorsichtig wie möglich machen, aber Nomi hat große Angst vor Tierärzten, und wehrte sich.

Dann begann eine Helferin, ihren Bauch zu rasieren, und weil die Besitzer sie ja so schön festhalten, könnte doch auch die Praktikantin mal probieren. Die Tür des Ultraschallraums stand offen, Menschen gingen hinein und hinaus, Telefone klingelten, Leute riefen was über den Gang. Nomi konnte nicht sehen, wer alles an ihr herumhantierte. Sie zitterte.

„Der Arzt kommt dann gleich“.

Jemand kam rein und knipste beim Reinkommen das Licht aus. „Anämie“, sagte er, „Blutbild kennen Sie?“. Mein F. stellte sich vor und begann das Blutbild zu erläutern. Der Arzt liess blubbernd und gurgelnd kaltes Kontaktgel auf Nomis geschorenen Bauch laufen.“Hatte sie Zecken?“ Puh, ja, bestimmt ein oder zwei… „Kommt aus dem Mittelmeerraum?“ Ja, aber vor zehn Jahren, und ist es eigentlich nicht irgendwie rassistisch, dass alle, die Nomi sehen, das fragen? „Gut, schauen wir mal.“

Stille.

Mein Gesicht war ganz nah an Nomis Gesicht. Sie versuchte, sich in meinem Ellbogen zu verstecken. Der Arzt drückte und zerrte an ihr herum, sie müsse mehr hierüber… Ich überlegte, ob ich wagen sollte, ihr ihr Entspannungssignal zu geben, oder ob ich es damit kaputt machen würde.

„Auf einem Ultraschallbild darf man im Bauch nichts Schwarzes sehen“, sagte der Arzt. Wir starrten auf einen fast vollständig schwarzen Bildschirm. „Der ganze Bauch ist voll: Bauchwassersucht. Das kann Wasser sein, oder Eiter, oder Blut. Blut wäre am schlechtesten. Gucken wir mal.“ Er stach eine Spritze in Nomis Bauch und saugte die Flüssigkeit an, hielt sie uns entgegen: „Reines Blut!“

Er zeigte uns die Leber auf dem Bildschirm: „… ausgefranste Ränder… alles total kaputt…“

F. und ich sagten gar nichts mehr. Irgendwann fiel das Wort „Krebs“, das Wort „einschläfern“, das Wort „kann man nichts machen“.

Ich schloss die Augen, versuchte tief zu atmen, und plötzlich wurde mir klar, dass es jetzt ganz egal war, ob ich unser Entspannungssignal kaputt machte oder nicht, dass wir keine Zukunft mehr hatten, dass es nichts mehr Aufzusparen gab. „Eeeeeasy“, brummte ich tief und leise in Nomis Ohr, „eeeeasy“, und ich spürte, wie sie ein klein wenig losließ, einen Hauch tiefer atmete.

„Wird dir schlecht?“ fragte F., ich sei ganz blass geworden, „musst du dich setzen?“ Der Arzt sagte, dann solle ich doch bitte rausgehen, es sei eben schon jemand umgekippt, und Verletzte könnte er jetzt echt nicht brauchen. „Wir bleiben bei Nomi“, sagte F. eine Spur zu laut.

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Es gäbe jetzt zwei Möglichkeiten, erklärte der Arzt, es sei durchaus wahrscheinlich, dass Nomi einfach einschlafe. Oder ihr Zustand verschlechtere sich, dann sollten wir sie in drei Tagen einschläfern lassen.

Bis dahin Metacam gegen die Schmerzen – „aber das macht doch auch Blutungen“, warf ich ein, hatte am Vorabend noch im „Schwarzbuch Tierarzt“ geblättert. „Novalgin hat andere Nebenwirkungen“, entgegnete der Arzt, und letztlich bekamen wir Cortison und ein Antibiotikum.

Nomi wollte nur noch ins Auto. F. bezahlte noch und berichtete, der Arzt habe auf einmal Tränen in den Augen gehabt. Ich ließ Nomi auf die Rückbank – schnell Trinken! -, Habca sprang aus dem Auto, ich setzte mich auf den kalten Asphalt, lehnte mich an den Autoreifen, und begann zu weinen.

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