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Wenn kleine Gesten

Hunden ist ihre soziale Beziehung zu Menschen sehr wichtig. Ich glaube, das kann man tatsächlich durch die Bank so sagen. 

Im Laufe eines Tages nehmen sie mit vielen kleinen Gesten Kontakt zu ihren Menschen auf, betreiben Stimmungsab- und angleichung, schauen, was die Menschen tun, versuchen sich einzubringen.

Ich sehe immer wieder, wie diese Gesten von Zugehörigkeit, von Freundschaft, missverstanden werden: als Dominanz, Kontrolle, „aufmerksamkeitsheischendes Verhalten“. 

Wie unter Menschen auch, können manche Gesten verschiedene Bedeutungen haben – je nach Kontext. Es ist deshalb schwierig (oder unseriös?), sowas zu sagen wie „ein Hund, der dich anstupst, ist frech“, oder Fragen zu beantworten wie „was bedeutet es, wenn ein Hund versucht einen Menschen zu rammeln?“.

An Freundschaft und Zusammenhalt kann und sollte man bei folgenden Gesten/ Verhaltensweisen denken:

  • Beschnuppern des Menschen, häufig im Gesichtsbereich, an der Atemluft
  • Ablecken von Händen und Gesicht
  • Beknabbern und Anlutschen/ Saugen an den Händen, vorsichtiges ins-Maul-Nehmen der Hand oder des Ärmels, auch als Versuch, den Menschen irgendwo hin zu führen hundephilosophin1709-2
  • Anstupsen des Menschen
  • auf den Füßen liegen, auf dem Schoß liegen, auf Schultern oder Kopf liegen hundephilosophin1709-1
  • Pföteln, Pfote auflegen
  • Kopfauflegen unter befreundeten Hunden und Menschen hundephilosophin1709
  • sich anlehnen
  • unter Hunden: drüber pinkeln (gegenmarkieren) – wird in Krisenzeiten vermehrt gezeigt
  • zum Spiel auffordern, Spielzeug bringen
  • Kontaktliegen, sich anschmiegen
  • Körperkontakt halten, während die Welt erkundet wird, z.B. bei Welpen und kleinen Hunden vom Arm des Menschen aus, bei größeren Hunden mit Anlehnen, Draufstehen. Dieser Punkt wird von Trainern besonders oft missverstanden! Der Mensch müsse dem Hund Sicherheit entziehen, mache den Hund aggressiv etc. hundephilosophin1709-4

Wir wissen mittlerweile, dass wir unsere Beziehung zu unseren Hunden in vielerlei Hinsicht mit der Beziehung von Eltern und Kind vergleichen können – ohne deshalb Hunde als Kinder zu sehen. Vielmehr geht es um die Beziehung von Hunde- oder Wolfseltern zu jungen Hunden oder Wölfen. Es geht um Oxytocin-Regelkreise.

Nun ist es unter Hundeartigen so, dass Eltern in der Regel die Spielaufforderungen von Heranwachsenden annehmen, dass sie die Beziehung pflegen.

Manche Hundetrainer empfehlen, als „Dominanz“ oder „Nerven“ missverstandenes Verhalten des Hundes zu unterbinden, oder zu ignorieren.

Elterntiere ignorieren ihre pubertierenden Jungtiere in genau einer Situation: wenn sie sie zum Abwandern bewegen wollen. Jungtiere, die sich ein eigenes Rudel suchen, werden nicht aktiv vertrieben, sie werden ignoriert.

„Ignorieren“ sozialer Gesten ist daher ein problematischer Tipp, gerade bei erwachsen werdenden Junghunden! 

Wenn ein Hund mit seinen soziopositiv gemeinten Gesten und Verhaltensweisen den Menschen stört, wenn er übertreibt, oder klammert – dann ist herauszufinden, warum er so viel dieser Verhaltensweisen zeigt.

Beispiel: Einem Hund, der sich viel beim Menschen anlehnt, und dabei Artgenossenaggression zeigt, den menschlichen Halt auf Traineranraten zu entziehen, kann sehr gut nach hinten losgehen: der Hund meint wohlmöglich noch mehr sich verteidigen zu müssen, und fühlt sich alleingelassen.

Ein Hund, der sehr viel so genanntes „aufmerksamkeitsheischendes Verhalten“ zeigt, hat irgendeinen Grund, das zu tun. Es ist dann zu untersuchen, wofür der Hund überhaupt Aufmerksamkeit bekommt, wie man ihm beigrebracht hat, nach Aufmerksamkeit zu fragen, und was er gelernt hat, was er selbst tun könnte, damit es ihm besser geht.

Viele Hunde wollen im Laufe des Tages einfach immer wieder auf die Zusammengehörigkeit mit ihrem Menschen hinweisen, sich vergewissern. Wenn sie dafür gemaßregelt werden – welche Rückschlüsse über die Beziehung und den menschlichen Beziehungspartner werden sie wohl ziehen? 

 

 

 

 

 

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