In Hundepsychologie, Hunderassen, Hundetraining, Hundezucht, Mehrhundehaltung, Mensch-Hund-Beziehung, Tierschutz

Ich möchte einen neuen Hund anschaffen. Dies ist Teil 3 der Artikelserie.

Zu Teil 1: „Wenn ein neuer Hund einziehen soll“

Zu Teil 2: „Ein Hund vom Züchter“

Mein Mann, Habca, und ich sind zum August umgezogen. Raus aus der Stadt, weg von unserer lauten Kreuzung mit LKWs, deren Motor an der Ampel vor unserem Schlafzimmerfenster röhrt. Aufs Land. In den Taunus. Ich habe mir zwei Wochen frei genommen, um alles zu regeln, und, puh, das war auch nötig! Jetzt sind wir fast fertig (und könnten Ferien gebrauchen!).

Internet haben wir noch nicht, und da ich ein bisschen arbeiten muss, sitze ich gerade bei meiner Freundin Margherita, und schreibe. Margherita ist eben gegangen – am Wochenende kam ein neuer Transporter mit Hunden, drei davon hat sie genommen, zwei weitergegeben, einer ist bei ihr als Pflegestelle geblieben. Er ist zu der alten Niebla gezogen, zu Tonin, der ein Zuhause sucht, und zu Ouzo und Lotte. Lotte ist ein Zwergdackelmix aus dem Tierschutz. Wenn ich Margherita länger nicht sehe, verliere ich manchmal den Überblick, wer gerade alles bei ihr wohnt. Dann kommt sie mit ihrem Smart angefahren, und lauter fröhliche kleine Hunde purzeln aus dem Auto. Oder sie spaziert mit fünf Persönlichkeiten an der Leine zur Nidda. Jedes Hundchen hat eine Geschichte, aber Margherita gehört nicht zu denen, die einem diese Horrorgeschichten ständig unter die Nase reiben müssen. Nein, die Hunde haben es ja jetzt und hier gut. Die anderen Hunde zeigen ihnen schnell, wie das Leben hier funktioniert, und nach ein paar Wochen oder Monaten sind sie bereit für ein eigenes Zuhause, und vielleicht ist das der Punkt, für den ich Margherita am meisten bewundere: Sie kann sie dann gehen lassen. Sie merkt, wann es an der Zeit ist, sie lässt die Hunde entschjeiden, und lässt sie los.

Mittlerweile gibt es ganz viele „Ex-Pflegis“, die es alle bei irgendwem gut haben. Das ist irgendwie schön, das ist wie eine Sammlung von Ex-Freunden, denen man nicht nachtrauert, sondern von denen man weiß, dass es ihnen gut geht… Mit jedem gut vermittelten Hund wird hier „ein Platz frei“, und jemand kann nachkommen. Jemand kommt nach. Das ist ein Punkt, den ich ganz schwierig finde: es hört nicht auf. Wir können die Welt nicht retten. Margherita tut mit Gleichmut alles für diesen Hund, der sich im Kreis dreht, weil er über die Mauer in den Hof des Tier-Refugiums geworfen wurde, sie lässt alle Tiere ärztlich versorgen, holt sich bei mir Rat in Verhaltensfragen, ist selber schon eine Meisterin in Entspannungs-Hilfen geworden. Und wenn sie alles getan hat, und der Hund vermittelt ist – dann kommt der nächste, der übern Zaun geworfen wurde!

Wir können Einzelne retten. Und das ist viel, keine Frage.

Aber als die Retter sind wir Teil des großen Räderwerks. Die zu rettenden Hunde werden genauso nachproduziert, wie Züchter Hunde nachproduzieren. Deshalb zählt das Argument gegen Hundezucht, es gäbe doch schon genug Hunde, für mich nicht. Hunde werden immer produziert, so lange Menschen Hunde haben wollen – auf die eine oder andere Art. Das ist auch kein Argument gegen Tierschutz! Ich finde nur, dass man davor die Augen nicht verschliessen darf. Und ich finde, dass Züchterhunde-Käufer und Tierschutzhunde-Käufer nicht aufeinander rumhacken sollten. Beide Wege haben Vor- und Nachteile.

Wenn es also ein Hund aus dem Tierschutz – im weitesten Sinne – sein soll, wie geht man vor?  Hier kommen heute nicht mehr nur die umliegenden Tierheime in Frage, sondern zahlreiche Tierschutzorganisationen, die Hunde „retten“ und vermitteln – teils mit einer dazwischen geschalteten Pflegestelle, teils ohne. Außerdem vermitteln Tierheime und Tierschutzorganisationen häufig bundesweit, so dass Ihr nicht auf Eure Nachbarn beschränkt seid. Es gibt über diesen Weg, einen Hund zu bekommen, einige falsche Vorurteile – macht Euch klar: Es gibt im Tierschutz auch Welpen, und es gibt im Tierschutz auch Rassehunde. Für fast alle Rassen gibt es mittlerweile entsprechende “ … in Not“ – Organisationen.

Ein guter Startpunkt, um im Internet nach Tierschutz-Hunden zu suchen, ist „Shelta„, das „Online-Tierheim“ von Tasso: Hier könnt Ihr die Hunde nach verschiedenen Kriterien wie Größe, Standort, Geschlecht etc. sortieren lassen. Das ist auch nötig, denn: die schiere Masse der Tierschutzhunde, die alle arm dran sind, und alle ein Zuhause suchen, finde ich total erschlagend.

Es gibt auch im Tierschutz  „schwarze Schafe“: illegale Hundehändler, die sich als Tierschützer ausgeben. Auch hier gilt: ein seriöser Tierschutzverein wird Euch ebenso prüfen, wie Ihr Fragen stellen dürft. Es findet eine Vorkontrolle bei Euch zuhause statt, und die ehrenamtlichen Mitarbeiter versuchen, den richtigen Hund mit dem passenden Menschen zusammen zu bringen.  Tierschützer verkaufen Euch Hunde nicht auf Autobahnraststätten, nicht ohne Vorkontrolle und Vorgespräche. Versucht, so viel wie möglich über den Hund herauszufinden. Lasst Euch den Impfausweis zeigen, wenn es einen gibt, und kontrolliert, ob die eingetragenen Tierarzt-Stempel zu der Geschichte der Tierschützer passen. Das kann manchmal nervig sein, und wie anderswo auch, sind auch im Tierschutz nicht alle Menschen mir total sympathisch und auf meiner Wellenlänge… aber es ist auch richtig so!

Auch Tierschutz ist für viele Menschen ein Geschäft. Es gibt die „Guten“, die ehrenamtlichen Helfer, die Hunde ins vergleichsweise wohlhabende Deutschland retten wollen – es gibt die „Bösen“, die solche armen Hunde absichtlich immer wieder nachproduzieren – und es gibt unglaublich viel dazwischen. Menschen, die nicht nachdenken, zum Beispiel. Oder Straßenhunde, denen es als Straßenhund gut geht, und die als „gerettete“ Familienhunde in Deutschland überhaupt nicht zurechtkommen. Es gibt Tierschützer, deren Organisation wegen Betrug geschlossen wird, und die zwei Tage später eine andere Organisation gegründet haben und genau da weitermachen wo sie aufgehört hatten. Es gibt Tierschützer, die Faschisten sind, oder Sodomiten. Es gibt die, die sich die Nächte um die Ohren schlagen, um einen Hund vom Flughafen abzuholen und ein paar Stunden durch die Nacht zu fahren, als Teil einer Fahrkette, und die dafür gar nichts bekommen. Es gibt Pflegestellen, die Wunder vollbringen, und es gibt Tierschutzorgas, die vierzig Hunde in einem engen unbelüfteten Transporter durch halb Europa kutschieren, bevor die Hunde von der Polizei beschlagnahmt werden.

Ein Hund sollte Euch nie aufgedrängt werden. Ihr solltet immer Zeit bekommen, darüber nachzudenken – schließlich verpflichtet ihr Euch für viele Jahre! Eine bekannte Masche von illegalen Hundehändlern ist zum Beispiel die Geschichte, dass ein Tierheim im Ausland sofort (am selben Tag) geräumt werden müsste, sonst würden alle Hunde getötet, ihr könnt diesen Hund deshalb nur sofort nehmen, sonst wird er getötet. Lasst Euch nicht so unter Druck setzen!

Macht Euch klar: Es hilft niemandem, wenn Ihr einen Hund aufnehmt, mit dem Ihr nicht klar kommt! Macht Euch aber auch klar: Menschen und Hunde können wachsen, können Unglaubliches schaffen – wenn die Voraussetzungen stimmen. Seid realistisch, wenn Ihr Eure Ressourcen beurteilt: was könnt ihr, wie viel Zeit habt ihr, wie viel Tierarzt und Trainer könnt ihr finanzieren, wer unterstützt Euch.

Im Tierschutz sitzen auch ganz, ganz viele nette Hunde, die super für Anfänger geeignet sind – viel besser zum Beispiel, als ein Welpe von der „falschen“ Rasse.

Ein Hund aus dem Tierschutz bringt immer „Gepäck“ mit, das ihr nicht kennt. Wenn der Hund erst durch Eure Adoption nach Deutschland einreisen kann, so habt ihr keine Chance, ihn vorher kennen zu lernen. Aber auch wenn ihr ihn kennen lernt, im örtlichen Tierheim zum Beispiel, so lernt ihr in aller Regel nur die gestresste Version dieses Hundes kennen, und könnt wenig darüber erfahren, wie er nach einem Jahr bei Euch zuhause sein wird.

Menschen, die Tierschutzhunde adoptieren sind, meines Erachtens, nicht die besseren Menschen. Tierschutzhunde sind nicht die besseren Hunde. Tierschutzhunde sind auch nicht dankbar, zumindest nicht immer – sie müssen es auch nicht sein, finde ich. Ich finde, man sollte nicht einen Hund aus dem Tierschutz nehmen, um sich dadurch als der bessere Mensch zu fühlen, um Dankbarkeit zu erleben, oder um seinen Helferkomplex auszuleben.

Man sollte einen Hund aus dem Tierschutz nehmen, wenn man es sich (zu-)traut, wenn man das mit ganzem Herzen gern möchte, und wenn man dort den Hund findet, der zu einem zu passen scheint.

Wer keinen Hund aus dem Tierschutz zu sich nimmt, oder noch nicht sicher ist, kann diesen Hunden vielleicht auf andere Art helfen: viele Tierheimer suchen zum Beispiel Gassigänger – meines Erachtens eine super Möglichkeit, Hundeerfahrung zu sammeln, sich auszuprobieren, und dabei etwas Gutes zu tun! Oder ihr könnt Pflegestelle werden, also einen Hund auf Zeit übernehmen, damit er nicht im Tierheim sitzen muss, und ihm die Eingewöhnung erleichtern. Ihr könnt Geld spenden, beim Webauftritt des Tierheims oder der Tierschutz-Orga basteln, beim Erstellen der Fotos und Beschreibungen helfen… Irgendwas kann jeder tun.

Aber egal, was wir tun: das Internet wird voll von armen, ausgesetzten, misshandelten Hunden bleiben. Wir können es nur dennoch tun.