In Antijagdtraining/ Jagdersatztraining, Hundeerziehung, Hundeleine, Hundeschule, Hundetraining, Mensch-Hund-Beziehung

Krass, wie emotional aufgeladen so ein Gegenstand sein kann, oder? Die Hundeleine, eigentlich ein Hilfs-Mittel, also etwas, was helfen soll –

  • ist Gegenstand von Gesetzgebung und Verordnungen
  • führt zu Streit zwischen Hundebesitzern untereinander und Hundebesitzern mit Nichthundebesitzern
  • kann Hunde aggressiv machen?
  • bringt Menschen zur Verzweiflung

Und dann gibt es ja auch noch so viele verschiedene: Schleppleinen, Schlupfleinen, Moxonleinen, Retrieverleinen, Agilityleinen, Hausleinen, Führleinen, „dreifach verstellbare“ Leinen, Umhängeleinen…!

Tatsächlich haben die meisten meiner Kunden auch mehrere verschiedene Leinen – aber oft ist die Unsicherheit groß, was der Hund an welcher Leine „machen“ soll (oder nicht machen). Und wenn der Mensch das für sich schon nicht klar kriegt, wie soll der Hund das dann verstehen?

Wozu braucht man eine Leine?

Ich finde es hilfreich, sich erstmal klar zu machen, was die Leine ist: nämlich ein Hilfsmittel. Das heißt, etwas, was uns und/ oder dem Hund helfen soll, und zwar aus einem der folgenden Gründe:

  1. Der Gesetzgeber schreibt für den Ort oder die Zeit oder den Hund Leinenpflicht vor.
  2. Das Training des Hundes ist noch nicht soweit, dass man sich hundertprozentig darauf verlassen kann, dass er unerwünschtes Verhalten nicht zeigt oder rechtzeitig abbrechbar ist. Dazu gehört insbesondere Jagen, andere Lebewesen angreifen und sich unkontrolliert entfernen (Straßenverkehr). Deshalb wird der Hund durch eine Leine abgesichert – vorübergehend oder auch dauerhaft oder an bestimmten Orten oder zu bestimmten Zeiten.
  3. Der Hund könnte das Verhalten zwar auch ohne Leine zeigen, aber es wäre für den Mensch oder den Hund mit Anstrengung verbunden, und diese Anstrengung soll vermieden werden. Beispiel: Hund in der vollen Fußgängerzone, gut trainierter jagdinteressierter Hund im Wald, der Pause vom Training machen soll.
  4. Andere anwesende Menschen haben Angst vor dem Hund (ob aus unserer Sicht berechtigt oder nicht, spielt keine Rolle) und wir möchten ihnen verdeutlichen, dass der Hund tatsächlich unter Kontrolle ist – egal, ob er das ohne Leine auch wäre oder nicht.  Dieser Punkt ist m. E. Bemessenssache. Für Jogger und Radfahrer leine ich nicht unbedingt an, sondern würde die Hunde hinsetzen oder – legen. Wenn ein Mensch mich fragt, ob ich den Hund anleinen kann, weil er Angst hat, tue ich es. Mir wäre es auch lieber, wenn Spinnen angeleint wären. ;-)

Das Problem ist: wenn aus einem dieser Gründe eine Leine am Hund befestigt ist, schränkt das Mensch und Hund ein. Und wenn sie nicht gelernt haben, damit umzugehen, und einer von ihnen oder beide an der Leine zerren, dann führt das zu Frust, Ärger, Wut, Schmerzen oder Verspannungen, und steigender Erregung. Das ist doof. Also müssen wir dem Hund erklären, wie wir uns das mit der Leine vorstellen.

Regeln für gemeinsames Unterwegssein

Meines Erachtens gibt es ein paar Regeln für gemeinsames Unterwegssein, die immer gelten – mit und ohne Leine. Das sind:

  • jeder achtet auf den/ die anderen
  • wenn einer sich für etwas interessiert, und dahin möchte, muss man sich einigen, und dabei sollte nicht immer derselbe zurückstecken müssen
  • man bleibt zusammen/ in der Nähe voneinander (was das heißt, lohnt sich, sich einmal genau zu überlegen)
  • Wildtiere, andere Hunde und Menschen werden nicht belästigt/ angegriffen
  • der Mensch trägt im Notfall und im Zweifelsfall die Verantwortung, deshalb muss in diesen Fällen ohne Verzögerung getan werden, was er sagt – der Mensch soll diese Notfallkompetenz nicht überstrapazieren und den Hund damit nerven
  • ansonsten darf gern jeder mal die Richtung bestimmen, jeder mal vorgehen, jeder mal stehen bleiben, jeder mal was vorschlagen. Jeder sollte genug Zeit und Raum haben, seine Dinge zu erledigen und seinen Interessen nachzugehen (solange es keine der anderen Regeln verletzt).

Regeln für den Umgang mit der Leine

Wenn also nun eine Leine zwischen mir und dem Hund gespannt ist, gibt es erstmal nur eine zusätzliche Regel, die für uns beide gilt: An Leinen soll man nicht ziehen.

Klingt einfach, oder?

Natürlich hat die Sache einen Haken: Wenn der Hund die oben genannten Regeln noch nicht gelernt hat, oder wenn der Mensch die Leine so kurz nimmt, dass der Hund seine oben genannten Freiheiten gar nicht mehr ausleben kann, z.B. nicht mehr Schnuppern kann, dann wird es zum Konflikt kommen. Und wenn ich möchte, dass der Hund etwas bestimmtes tut, zum Beispiel nah bei mir gehen, oder auch nur auf 10m in meiner Nähe bleiben, und versuche, das über eine Leine nicht nur abzusichern, sondern durchzusetzen und/ oder dem Hund zu erklären, dann überfrachte ich das Hilfsmittel Leine. Weil ich für sowas nämlich Training brauche, und einen Trainingsplan. Kein Hilfsmittel der Welt kann mir Training abnehmen. Es kann mir und dem Hund nur helfen.

Was muss das Hund-Mensch-Team also lernen?

Meines Erachtens gibt es zum miteinander Unterwegssein mit und ohne Strick dran zwei Möglichkeiten, die das Team lernen muss:

entweder:

(1) Es ist im Prinzip Freizeit, es gelten aber die oben genannten allgemeinen Regeln, plus, wenn eine Leine egal welcher Länge dran ist, die Nicht-Ziehen-Regel für beide

oder

(2) Hund und Mensch gehen nah nebeneinander, Hund soll die Seite nicht unaufgefordert wechseln und sich dem Tempo des Menschen anpassen. Er hat nicht frei: er soll z.B. nicht Stehenbleiben zum Schnüffeln. Es liegt am Menschen, diesen Modus mit Bedacht einzusetzen, er verlangt von beiden mehr Konzentration.

Ich habe zum Abschluss noch ein Video von beiden Varianten für euch:

Rike zeigt Variante 1 mit („normaler“) Leine, achtet darauf, dass ich stehen bleibe, wenn sie was erkunden will (und zwar so, dass die Leine noch locker ist), und wie sie stehen bleibt, als sie zu weit vorn ist und die Leine auf Spannung kommt. Hier ist die Spannung der Leine das Signal zur Umorientierung. So viel gucken wie sie hier tut, müsste sie übrigens nicht.

 

Habca zeigt Variante zwei (hier ohne Leine), bei uns heißt das „bei mir“ gehen, und sie hat ein optisches Dauersignal, meine Hand: