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Wisst ihr, was FOMO ist? Die Abkürzung für „Fear of Missing Out“: die Angst, etwas zu verpassen. Von FOMO geplagte Menschen befürchten, „eine soziale Interaktion, eine ungewöhnliche Erfahrung oder ein anderes befriedigendes Ereignis zu verpassen und nicht mehr auf dem Laufenden zu bleiben“, so Wikipedia.

Unter ehrgeizigen Hundetrainer*innen, zu denen ich mich ja durchaus zähle, gab es das immer schon: die neueste und coolste Konferenz, die Hot Shots, zu denen man reisen muss, die man gehört haben muss. Die Verabredungen zum Training, die Fortbildungen, die Facebook-Gruppen.

Was jetzt anders ist: seit wenigen Wochen sind die geographischen Beschränkungen weg. Man muss nicht mehr reisen, nicht mehr Flüge und Hotels zahlen, man sitzt einfach vorm Computer. Und es gibt kaum einen großen Namen, der jetzt kein Online-Seminar anbietet.

Puh.

„Der Psychologe und Verhaltensforscher Dan Ariely von der Duke University bezeichnet das Phänomen als die Befürchtung, falsche Entscheidungen darüber zu treffen, wie man seine Zeit verbringt und so eventuell die beliebtesten Partys, die lustigsten Aktionen oder die besten Erfahrungen zu verpassen“, informiert Wikipedia weiter.

Ich bleibe hängen bei: „falsche Entscheidungen zu treffen“.

Tatsächlich sind es viele Entscheidungen, die wir gerade treffen müssen, oder? Weil Strukturen und Routinen weggefallen sind. Weil es ganz offensichtlich gerade nicht so ist, wie es immer war. Viele von uns müssen (oder dürfen?) gerade viel mehr entscheiden, wie sie ihre Zeit verbringen, als sonst. Weniger soziale Kontrolle durch Kolleg*innen und Vorgesetzte, keine Schule und Kita, viele Arten von Zerstreuung und Unterhaltung fallen aus.

Entscheidungen treffen, bedeutet, Verantwortung übernehmen.

Verantwortung dafür, was ich mit und aus meinem Leben mache. Mit meiner Zeit, meinem Geld, meiner Energie und meiner Gesundheit. Nicht nur jetzt, aber gerade jetzt.

Ich glaube, solche Entscheidungen können gar nicht „falsch“ sein, weil das ein Maßstab von außen ist. Wenn die Entscheidung war, den ganzen Tag Serien zu gucken, dann hat auch das einen Sinn oder ein Bedürfnis erfüllt. („Ich bin gerade so wie ich bin, weil ich mich genau jetzt so brauche.“ – keine Ahnung, wer das als erste gesagt hat).

Wenn die Entscheidung ist, den ganzen Tag Webinare deines Fachgebietes zu gucken, ist das prima. Überwältigend und, ja, auch belastend finde ich das niedrigschwellige (teilweise zumindest) Angebot derzeit, mit dem ich mich, hätte ich nicht mein anderthalbjähriges Kind zu betreuen, von morgens um 7 bis spät in die Nacht beschäftigen könnte. Ja, ich finde viel davon total spannend! Ja, da sind Namen dabei, die ich schon lange hören wollte! Und: ja, es beunruhigt mich, wenn ich glaube, dass andere das alles hören und sehen, und ich nicht. Weil ich eben das Kind betreue. Oder mit meinem Hund spazieren gehe. Oder die Zeit brauche, um mit meinem Kaffee in der Sonne zu sitzen und nichts zu tun.

Warum beunruhigt mich das? Steckt dahinter das Gefühl, andere könnten etwas lernen, was mir fehlt? Letztlich ist es für mich bei den meisten Fortbildungen, online wie offline, in den letzten Jahren so, dass ich am Ende denke: war nett, aber es war nichts völlig Neues. Es war nichts, was mir gefehlt hätte, wenn ich nicht dabei gewesen wäre. In vielen Fällen wäre es vielleicht sogar wohltuender für mich gewesen, ein terminfreies Wochenende zu haben, mit meiner Familie, mit meinem Hund, oder auch mal ganz für mich allein. Klar, manchmal gibt es die eine tolle Erkenntnis auch auf Seminaren, etwas Begeisterndes, etwas Schönes. Aber vielleicht hätte mich diese Erkenntnis ohne das Seminar auch auf anderen Wegen gefunden?

Oder andersherum: Ich finde es wichtig, mich fortzubilden und auszutauschen, ich mag das gern, und werde es weiter machen. Ich finde es aber auch wichtig, auszuwählen, und meine Ressourcen klug einzusetzen – gerade jetzt. Und zugleich wird es gerade jetzt schwieriger, weil es im Bereich des Hundetrainings und der Hundetrainer*innenfortbildung plötzlich weltweit dermaßen viele Möglichkeiten gibt. Und auch, weil immer wieder mal suggeriert wird: „keine Zeit“ gilt jetzt nicht mehr, jetzt kann jeder alles machen. Nun, das stimmt nicht.

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Kennt ihr denn auch die Abkürzung JOMO? Das steht für die „Joy of Missing Out“, die Freude am Verpassen. Am Zuhause bleiben, Absagen, nicht Hingehen, Instagram Accounts, die einem nicht gut tun, entfolgen.

Oder: mit Hund und Kind in den Wald, ohne Handy, ohne währenddessen schnell die dringendsten WhatApp-Sprachnachrichten aufzunehmen, ohne schöne Fotos zu machen, die man später irgendwo teilen kann.

Oder: bisschen mit dem Hund trainieren, statt noch ein Webinar zu gucken. Vielleicht sogar ohne Filmen. Vielleicht sogar, ohne es jemandem zu erzählen.

 

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