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Petra, Martina und ich hatten uns auf einem Parkplatz in Steinbach zum Mantrailen getroffen und schauten in den Wald, an dessen Rand Dayo schon herumschnüffelte. Da hing ein laminiertes Pappschild: „Hornissen“. Vielleicht ist da irgendwo ein Nest, überlegten wir, besser, wir halten etwas Abstand.

Petra und ich zogen los, Petra sollte sich als erstes verstecken. Eine größere Gruppe Kinder, Frauen und Hunde kam uns aus der Entfernung entgegen gerannt. Ich machte eine Bemerkung darüber – weil ich so viel mit empfindlichen Hunden arbeite, fällt mir sowas auf: irgendwie ging eine beunruhigende Energie von der rennenden Gruppe aus. Zwei Mädchen mit Hunden kamen als erstes bei uns an. „Stop!“, riefen sie, „nicht weitergehen!“ Ein Spiel, dachte ich, oder ein Hundeproblem? „Da sind Hornissen, ganz viele, und die haben uns angegriffen, ganz viele!“ Dann begann das eine Mädchen sehr zu weinen, und wir sahen ihre roten Gesichter und Arme. „Schnell, wir laufen in die Schule!“

Aber das wirklich beunruhigende waren die Frauen. Sie nahmen uns kaum zur Kenntnis, und sie hatten diese zerfallene Mimik von Menschen, die etwas sehr schreckliches gesehen haben. Diese Mimik, die wir eogentlich nur aus Fotoreportagen kennen: Das Mädchen das aus Hiroshima flieht, Menschen im Krieg. Oder aus Horrorfilmen: Die Vögel. „Gehen Sie da nicht rein!“, riefen die Frauen, ganz rot auch sie, und rannten an uns vorbei. Weinend. 

Petra und ich schauten uns an, etwas ratlos. Wir beschlossen, den Wald zu meiden, und einen Trail in die andere Richtung zu legen.

Dayo startete gut und zügig, und als er gut unterwegs war, schrieb ich eine SMS an meine Praktikantin Jessy, die ich mit meinem Betreuungshund Tank  schonmal für eine Runde in eben diesen Wald vorgeschickt hatte.

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Dayo, Martina und ich kamen bei Petra an, sie hatte sich etwas anders versteckt als abgesprochen: „Da hängt auch ein Hornissen-Schild“…

Dann rief Jessy mich an, ich konnte sie kaum verstehen, auch sie klang tief erschüttert, verwirrt, und weinte: „Es waren so viele! Sie haben uns angegriffen! Sie haben uns verfolgt! Wir sind weggerannt, ich weiß nicht wo wir sind!“

Ich bat sie, aus dem Wald draußen zu bleiben, und Wasser zu suchen, um die Stiche schnell zu kühlen. Sich und den Hund zu beruhigen. Dann würden wir wieder telefonieren.

Aus der Ferne kamen jetzt Rettungswagen. Ich konnte sie über die Felder aus verschiedenen Richtungen auf uns und die Schule hinter uns zufahren sehen.

Was jetzt? Jessy suchen gehen? Dazu müsste ich durch den Wald… Weiter Trailen? Den Kurs mit den zahlenden Kunden abbrechen? Woanders hinfahren? Aber ja nicht ohne Jessy und Tank…

Wir machen noch einen Trail über den Parkplatz, entschied ich. Da standen ein paar Abholer-Elter herum, das erschien mir sicher. Nico suchte und fand souverän. Martina hatte ihren zweiten Hund im Auto gelassen, und die Fenster logischerweise ein gutes Stück auf. Was, wenn da ein Hornissenschwarm reinfliegt? „Dann ist Suri tot, oder??“, rief Martina, und lief los. Diese Momente, in denen man voller Inbrunst „Nein“ sagt, und innerlich ein kleines „hoffe ich“, anhängt.

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Vor der Schule standen jetzt vier Rettungswagen, dazu Notärzte. „Ok, Leute, wir brechen ab“, entschied ich, und rief Jessy an. Die hatte einen Blumenladen gefunden, wo sie Tank kalt abspritzte. Ich bat sie, dort zu bleiben, und holte sie ab – natürlich fand das Navi die Hausnummer nicht, ich fand keinen Blumenladen, natürlich hatte ich dann plötzlich kein Handynetz mehr, diese Dinge, die dann gern auf einmal passieren.

Ich kürze ab:  Tank konnte nicht sitzen und kaum stehen, der fröhliche Kerl war völlig durcheinander, hechelte stark, war extrem unruhig. Tank hasst es, in Autos einzusteigen, aber als ich dort an dieser Gärtnerei hielt, Jessy und Tank zwei Häufchen Elend, und die Autotür öffnete, da konnte ich gerade noch aussteigen, schon war Tank durch die Fahrertür reingesprungen. „Nichts wie weg hier!“

Obwohl ich mittlerweile von Friedrich telefonisch erfahren hatte, dass Hornissen an sich nicht gefährlich sind, fuhr ich Tank daher lieber zum Tierarzt, und versuchte auf der Fahrt verzweifelt, mich daran zu erinnern, was man nochmal beim allergischen Schock beim Hund tut [wisst Ihr’s? Oder lieber nochmal nachlesen?]. Tank hat vom Tierarzt Cortison und Schmerzmittel bekommen, wir bekamen auch Schmerzmittel für die nächsten Tage mit. Er drängte sich dicht an mich, schaute ständig nach seinem Hintern, war entweder ganz unruhig oder lag erschöpft auf der Seite – ein völlig anderer Hund.

Ich fragte den Tierarzt, ob Jessy auch zum Arzt sollte. Einerseits aus dem Internet die Information, dass Hornissenstiche ungefährlich seien, andererseits wurde Jessys Arm immer dicker, röter, heisser. „Auf jeden Fall“, meinte der Tierarzt, „mit einem allergischen Schock das kann ja dann ganz schnell gehen.“ Äh, ja. Ok. Wir hatten noch beobachtet, dass die Kinder und ihre Mütter auch mit ins Krankenhaus genommen worden waren.

Also Tank nach hause gebracht, und den Rest des Abends beim Ärztlichen Notdienst verbracht. Irgendwie war meine größte Sorge dass jemand der anderen Wartenden bestimmt Ebola hätte. Ist auch nicht schön, in so einem fiesen gekachelten Raum mit lauter Menschen zu sitzen, denen es gerade ziemlich schlecht geht… Ich habe dann beschlossen, mithilfe der zwei verfügbaren Zeitschriften mal Forscher-Jessys Modegeschmack zu erforschen, und wir waren die einzigen, die zwischendurch kicherten, anstatt nervös auf und ab zu gehen.

Jessy hat von der Versorgung her das schlechtere Los gezogen als Tank, finde ich: einen „feuchten Verband“ mit einer pippifarbenen Flüssigkeit, die giftig sei und stark färbe, und dann nicht auswaschbar sei. Der Verband, feucht wie er sein soll, tropfte. Wir bekamen noch einen Pippibecher mit der pippifarbenen Flüssigkeit mit, den Jessy sich heute über den Verband kippen soll. Und dazu Antihistaminikum aus der Notapotheke. „Ist sie denn jetzt allergisch?“, fragte ich den sympathischen, aber auch arg seltsamen Arzt. „Nein. Das ist die ganz normale Reaktion auf einen Hornissenstich.“ Ah ja. Dauern würde es, eine Woche bestimmt, und schönen müsste sie den Arm, Schreiben oder gar Arbeiten gehe gar nicht. Jessy hat neun Stiche, davon einer ganz schlimm. Bei Tank sind wir uns nicht sicher. Aber das Internet sagt ja zum Glück: „Das Sprichwort „7 Stiche töten ein Pferd, 3 Stiche einen Menschen“ stimmt nicht.“ Und ich verzichte hier auf die philosophische Anmerkung, dass Sprichwörter ja irgendeine Berechtigung haben müssen…

Leute, bleibt Steinbach im Taunus fern!