In Hundephilosophin, Hundepsychologie, Mensch-Hund-Beziehung, Philosophisches zu Hunden, Tierphilosophie, Tierpsychologie
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Ich habe vor kurzem „Ostwind 3“ (http://constantin-film.de/kino/ostwind-–-aufbruch-nach-ora/) im Kino gesehen, und natürlich fand ich die Szene total berührend, in der Mika mit ihrem heiß geliebten Pferd mitten im wunderschönen Andalusien steht, ihm Sattel und Trense abnimmt, und „Sei frei!“ zuruft. Ostwind galoppiert zu seiner Herde, seiner Familie. Mika verzichtet, weil sie gemerkt hat, dass Ostwind dort glücklicher wäre. Ohne sie.
 
Hach, und irgendwie sah ich mich mit Habca im Wald stehen, oder besser noch, auf dem tibetischen Hochplateau, ich nehme ihr das Halsband ab, die tibetischen Gebetsflaggen wehen im Hintergrund, Filmmusik, ich rufe: „Sei frei!“, bereit zum großen Verzicht.
 
An der Stelle bricht die Filmmusik in meiner Vorstellung ab, Habca schaut mich irritiert an, „schön“, sagt sie, „kommst du mit? Und wann gibt’s Abendessen?“
 
Ich muss daran denken, wie sie ein Welpe war, mein erster Hund, und wir kamen vom Spaziergang nach hause. „Das war schön“, sagte ich zu ihr, „jetzt kann ja dann wieder jeder machen, was er will. Ich setze mich an den Schreibtisch.“ Und dann hüpfte der Welpe um mich herum, oder raste durch die Wohnung, oder brachte mir Sachen. „Kann der sich nicht mal selbst beschäftigen?“, fragen mich auch oft Kunden, „ich will dem Hund doch nicht dauernd Vorschriften machen! Es ist mir egal, was er jetzt macht! Er hat frei!“
 
Frei haben, oder sogar frei sein, das scheint für unsere Hunde gar nicht so einfach zu sein. 
 
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Hunde, deren Menschen ihnen viel Freiheit lassen wollen, erscheinen mir oft unglaublich allein. Der Mensch trottet vielleicht neben ihnen her durchs Leben, durch den Park, schaut auf sein Handy, und der Hund „kann machen was er will“. Was Hunde aber ziemlich oft wollen: was zusammen machen mit denen, die sie mögen, denen sie sich zugehörig fühlen.
 
Natürlich gibt es auch die, die vor lauter Vorschriften gar nicht mehr wissen, was sie wollen könnten. „Micro-Management“ nennt man das. Der Hund muss immerzu „brav“ sein, nicht Bellen, keine Gefühle zeigen, nur auf Kommando fressen oder pinkeln. Klar, das ist auch Quatsch.
 
Aber wie ist das mit der Freiheit? Wie viel Freiheit braucht ein Hund, wie viel schätzt er, und wie kann ich sie ihm lassen?  
 
Und was sagen die anderen dazu, wenn ich meinem Hund Freiheit schenken möchte? Das Reh, der Nachbar, das Ordnungsamt? Das Leben unserer Hunde unterliegt einer Menge Regeln, die nicht ich gemacht habe, sondern „die Gesellschaft“: unsere Kultur, unsere Zeit. Das war mal anders, und wird sich auch weiter in die eine oder andere Richtung verändern – aber jetzt und hier ist es so, dass mein Hund z.B. an sehr vielen Orten angeleint sein muss, dass er weder Menschen noch Hunde angreifen oder verletzen soll (auch nicht in Selbstverteidigung), dass er sich ausweisen können muss, dass er menschliches Verhalten wie Anstarren, Bedrängen, Anfassen ertragen soll, dass er (nur) mit mir zusammen spazieren gehen soll, nicht Jagen soll, und dass er insgesamt still und unauffällig sein soll. 
  
Diese Regeln sind menschengemacht, und die Verantwortung dafür, dass mein Hund in dieser Gesellschaft hier lebt, trage ich. Ich habe das bestimmt, nicht er. Daraus folgt die Verpflichtung zu einem tierfreundlichen, tierschonenden Training.
 
Wir haben also eine ganze Reihe äußerlicher Beschränkungen der Freiheit des Hundes.  
Und wir haben die innerlichen Beschränkungen der Freiheit des Hundes – nämlich dass (viele? manche?) Hunde vielleicht gar nicht auf die Art frei sein wollen, die wir Menschen uns vorstellen. Die mach-was-du-willst-Variante von Freiheit. Die wildromantische.  
 
Was kann das dann heißen: mehr Freiheit für Hunde? Für meinen Hund?
 
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Showing 4 comments
  • Christoph Brehm

    Freiheit bedeutet für unseren Tibi Pepper mit seinem Herrchen im Wald zu joggen.
    Dort wo nicht ständig Spaziergänger, Radfahrer, andere Hunde unsere Freiheit einschränken.
    Ohne Leine, querfeldein, über Steine und Baumstämme springen, ab geht’s durch jede Pfütze und JA es ist Ok wenn Pepper sich in der Pfütze oder im Bach schmutzig macht wie ne Sau.
    Es ist Ok wenn der Kerl mal etwas weiter weiter weg rennt und die nächste Abzweigung verpasst.
    Und woher weiß ich dass mein Junge sich jetzt frei fühlt. Es sind seine Augen, die heller sind und glänzender. Es ist sein Blick, den er einem im vorbeirennen zuwirft, der einem zuruft: Das macht Spaß, komm schon, wo bleibst du denn !

    • Miriam

      Lieber Christoph, das klingt toll, und ich kann es mir genau vorstellen! Ich wünsche Euch noch viele solcher Spaziergänge!
      Eure Miriam

  • Socke-nHalterin

    Es ist schwer einem kranken Hund mit einem sehr organisierten Tagesablauf (aufgrund der regelmäßigen Mahlzeiten und Medikamente) viele Freiheiten zu geben. Es ist schwer einem Tibi, der Fellpflge braucht in die Freiheit zu schicken.

    Daher bin ich froh, dass Socke diese Art von Freiheit nicht braucht. Sie sucht sehr unsere Nähe und braucht ihre Routine, die ihr Sicherheit gibt.

    Es sind die kleinen Dinge, wie den Weg bestimmen und sich im Hause ohne Einschränkung bewegen zu dürfen. Es ist die Freiheit zu zeigen, was sie mag und was sie nicht mag und wir dem Folge zu leisten. Socke mag keine Hundetreffen und wir gehen dort nicht mehr hin. Socke mag bestimmte Ausflugsorte nicht, die wir nun auch meiden. Eine kleine Freiheit….

    Viele liebe Grüße
    Sabine mit Socke

    • Miriam

      Liebe Sabine, ich glaube auch, dass diese kleinen Dinge für unsere Hunde ganz viel ausmachen! Den Weg selber bestimmen, das ist so ein Tibi-Ding, oder? :-)
      Deine Miriam

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