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In meinem Podcast mit Katja Frey habe ich heute das zweite Paper zu der Frage diskutiert, welchen Effekt die Häufigkeit und die Dauer von Trainings-Sessions hat (die Diskussion zum ersten findet ihr hier).

Das Paper ist:

Demant, Helle; Ladewig, Jan; Balsby, Thorsten J.S.; Dabelsteen, Torben (2011): „The effect of frequency and duration of training sessions on acquisition and long-term memory in dogs“, in: Applied Animal Behaviour Science, 133(3-4), 228-234. (hier herunterladen)

44 Laborbeagle wurden in 4 Gruppen aufgeteilt: die Gruppen trainieren entweder täglich oder 1-2mal wöchentlich für je 1 Session oder 3 Sessions hintereinander. Jeder Hund hat insgesamt 18 Training Sessions á 6 Trials (z.B. wird einmal das Signal gegeben).  Die Hunde werden vorher in 3 Persönlichkeitstypen eingeteilt (das könnte das shyness/ boldness Kriterium sein, es wird Kontaktfreudigkeit vs „nervousness“ genannt. Die  Trainer ist bei allen Hunden die gleiche, und sie versucht, sich immer genau gleich zu verhalten. Sie folgt einem Trainingsplan mit 12 Trainingsschritten. Wenn ein Hund 5/6 Versuchen  (80%) richtig hat, wird der nächste Schritt gemacht. Das Prozedere bei Fehlern wird nicht erklärt. Der Verstärker ist Frolic.

Vier Wochen nach Trainingsende wird geprüft, an was die Hunde sich erinnern, dazu werden 10 Durchgänge ab Trainingsschritt 3 gemacht.
Das Trainingsziel ist: auf Signal in ein Körbchen gehen und da 20 Sekunden sitzen bleiben, während die Trainerin 5m weg mit dem Rücken zu ihm steht – also eine Verhaltenskette.
Die Fragestellung ist: Was ist der Effekt (Einfluss) von Häufigkeit und Dauer der Trainingseinheit auf Erwerb und Erinnerung bei Hunden (229) bzw. gibt es einen Effekt?
Hier könnt ihr die Podcast-Folge anhören – und überall wo es Podcasts gibt.
Unsere Kritik in Stichpunkten:
  • Vergleich mit Ponystudie, bei der Ponies einen elektrischen Schock vermeiden (229), räumliches Lernen von Ratten im Wasserlabyrinth, Pferdetraining, bei dem das Muskelgedächtnis beteiligt ist  – das sind so unterschiedliche Aufgaben und Motivationen!
  • Trainingsplan: große Trainings-Schritte, insbesondere ab Level 5. Signaleinführung in Level 5 ohne Plan, und mit gleichzeitiger Geste (Reizüberschattung), gleichzeitig verschwindet das Lockmittel (1-4 ist gelockt).Keine Zwischenschritte möglich wegen Standardisierung, ebenso kein Eingehen auf (interessante) Fehler.
  • nach vier Wochen waren alle Gruppen noch (fast) genau so gut wie am Ende des Trainings
  • wöchentlich für 3 Sessions und täglich für 1 Durchgang war fast gleich
  • Überlegungen zu Bedeutung von zwischendurch Schlafen (4.2.1, 233):  interessant, aber auch hier macht es doch vermutlich einen Unterschied, ob das Tier komplexere Aufgaben lernt, wie räumliches Verhalten, das Ratten-Experiment etc. oder eine eigentlich simplen Aufgabe „geh in dein Körbchen und bleib da“.
  • gut ist der Hinweis am Ende des Absatzes, dass es möglicherweise keine einheitliche Erklärung für den „spacing effect“ gibt.
  • kurze Trainings-Dauer besser als lange (4.2.2, 233): kann das daran liegen, dass das Training eben nicht so gut war? Speziell beim Shaping ist „Konsolidieren des gerade gelernten Schrittes“ (was auch immer das genau heißen soll, bzw. woran man es sehen soll) nicht unbedingt hilfreich!
  • Überlegungen zu „Motivation“ und „Konzentration“: nicht definiert, nicht messbar/ gemessen
  • Warum wurde Shaping als Methode gewählt? Zwar scheint es, dass sich Shaping schön standardisieren lässt – aber die Antwort der Hunde war ja nicht gleich, so dass die standardisierten Trainingsschritte für manchen Hund passte und für manchen nicht. In Kombination mit einem sehr großschrittigen Trainingsplan, der Umwege enthält,  wird ein Hund u.U. immer wieder  und mehrfach hinterreinander für etwas bestätigt, was er im nächsten Schritt agr nicht mehr zeigen soll. Da kann einem das matching law doch arg in die Quere kommen, und der Hund frustriert werden.
  • Welche Erfahrungen machen die Hunde zwischen den Trainingseinheiten? Werden sie für Sitzen, Abwarten etc. nicht doch verstärkt, zum Beispiel durch Pfleger?  Sind die Hunde unterschiedlich frustanfällig/ frusterfahren? Sind sie unterschiedlich trainingserfahren? Nehmen sie an anderen Studien teil, oder haben teilgenommen?
  • Was lernt die Trainerin im Laufe der Studie? Wird sie besser? Schneller, besser im Timing, kennt den Trainingsplan besser? Gibt mehr oder weniger (unbeabsichtigte, unbemerkte) Körperhilfen? Der Mensch trainiert sein Verhalten, seine Reaktionsgeschwindigkeit, „Konzentration“ etc. ja permanent mit. Die 1x/Woche- Hunde hatten quasi eine von den täglich-Hunden vortrainierte Trainerin
  • Fehler der Trainerin sind nicht dokumentiert. Korrekte Verhaltensantworten sind die, die geklickt wurden, inkorrekt die, die nicht geklickt wurden. Dann gehen wir aber von einem  Trainer aus, der 0 Fehler macht. Das ist mehr als unwahrscheinlich. Seriöser wäre also, Fehler zu dokumentieren, oder zu schätzen und rauszurechnen, oder im Nachhinein z.B. Videoaufnahmen durch zweiten Trainer auswerten zu lassen. Zwar ist davon auszugehen, dass der Trainer in allen vier Gruppen etwa gleich viele Fehler macht – das muss aber nicht so sein.
  • die Studie war nicht blind, die Trainerin wusste, welcher Hund in welche Gruppe gehört, und hatte vermutlich Vorannahmen

 

Andere Diskussionen des Papers findet ihr hier: