In Pettrailing

Ich bilde ja nicht nur Mantrailer aus, sondern auch Pettrailer, und während ich bei ersteren ganz klar nicht auf Einsätze hin arbeite (es gibt so viele andere tolle Ziele: zum Team zusammen wachsen, den Hund beobachten lernen, Abenteuer gemeinsam bestehen…), gehe ich mit letzteren gelegentlich entlaufene Hunde suchen. Das hat damit zu tun, dass auch Habca mal entlaufen war, und mir ihre Mantrailerfreundin geholfen hat. Dass ich weiß wie fürchterlich diese Situation ist.

Über die lange Suche nach Chola hat sich ein Kontakt zu Dagmar ergeben, die oft Suchen organisiert, und uns gelegentlich um Hilfe fragt – es gibt nicht so viele Pettrailer. Gerade wieder ist in Mainz ein Hund verschwunden, die Trailing-Chancen stehen eigentlich nicht so schlecht, und trotzdem habe ich ihr letztlich abgesagt. Obwohl das nicht schön ist, und für die Besitzer eine große Enttäuschung. Warum? Weil ich nicht seriös hätte arbeiten können. Ich will das erklären.

Wisst Ihr dass Mantrailer bei Rettungshundeorganisationen einen ziemlich schlechten Ruf haben? Warum? Mantraling ist schwierig und die Ausbildung zur Einsatzfähigkeit langwierig (Rettungshunde trainieren zwei Tage pro Woche für etwa drei Jahre bevor sie an Einsatzfähigkeit denken), aber aufgrund dessen was Mantrailer „können können“, wurden sie oft überschätzt, und wenn ein Mantrailer eine Richtung anzeigt, wird die ganze Rettungsmaschinerie, die Flächenhunde etc, dort eingesetzt. Man muss schon sehr genau verstehen, wie ein Mantrailhund arbeitet, um ihn sinnvol „nutzen“ zu können. Man muss das auch verstehen, um ihn sinnvoll ausbilden zu können, und wie so oft in der Hundewelt, sind hier die Lager zerstritten. Meines Erachtens kann es nicht gutgehen, sobald wir versuchen den Hunden vorzuschreiben wie sie suchen sollen.

Trotz all dieser Schwierigkeiten – und international gesehen kommt etwa ein Drittel aller Mantrailing-Einsätze zur gesuchten Person – klappt das Mantrailing im Training erstmal gut. Der Hund findet. Wir legen das Training natürlich auch so aus, dass der Hund findet. Aber die Hunde scheinen auch tatsächlich schnell zu verstehen was sie tun sollen, dass es Belohnung gibt, dass es Spaß macht. Prima, soll ja auch so sein.

Ich sage dann in der ersten Stunde immer „aber jetzt bitte nicht die weggelaufene Oma aus dem Altersheim suchen“. Den Menschen macht das nämlich auch Spaß, und dann gerät man natürlich in Versuchung! Nur mal probieren… Und wenn es nicht die Oma ist, dann vielleicht der weggelaufene Hund aus der Nachbarschaft?

Man denkt vielleicht es könne ja nicht mehr passieren als dass man halt nicht findet, und dann war es doch nett, es versucht zu haben. Das sehe ich ganz anders, und leider lehne ich deshalb die meisten Anfragen nach Tiersuche ab.

  1. Wenn klar ist dass der Trailhund keine Chance hat, weil der gesuchte Hund frei läuft, z.B. in Panik lange geradeausläuft, oder anfängt große Kreise zu ziehen, dann verheize ich keinen Suchhund und mache keinen Besitzern falsche Hoffnung.
  2. Wenn ich nicht mit zwei Suchhunden arbeiten kann, die sich abwechseln können, die sich gegenseitig bestätigen oder in Frage stellen können, und mit mindestens zwei Menschen, ein hundeführer und ein genauso gut geschulter Begleiter – dann fange ich nicht an. Glaubt mir, wenn man einmal da draußen ist merkt man nicht dass amn den eigenen Hund vierzig Minuten arbeitet, und das ist einfach Quatsch.
  3. Wenn ich aber so gerne arbeiten würde, fange auch ich an zu überlegen: könnte nicht der XY mitkommen, der sucht doch so gut? Ja, aber doch bitte nicht wenn der im Training noch nie einen Hund gesucht hat! Erstens weiß er nicht wie er anzeigen soll – Pettrailer müssen fernanzeigen! -, zweitens geben wir dem Pettrailer immer einen Mischgeruch: z.B. ein Hundehalsband mit viel Hundegeruch und etwas Besitzergeruch. Der gut ausgebildete Mantrailer würde (soll!) den Hundegeruch ignorieren und den Menschengeruch suchen, obwohl er davon nur wenig hat! Auch ich bin schon hinter einem Hund hergelaufen der mich von Suchplakat zu Suchplakat führte – auf der Spur des Besitzers. Ich muss mit meinem Hund schon verhandeln, welchen Geruch ich will, wenn zwei vorhanden sind – und das tun wir bitte im Training, nicht im Spontan-Einsatz.
  4. Wenn ich einen Suchhund starte muss ich auch einen Plan dafür haben was passiert wenn wir finden. Der für den Suchhund beste Fall ist, dass der gesuchte Hund festsitzt, z.B. mit der Schleppleine festhängt. Das hatten wir bei Kiki so: Sie hing mit der Leine in den Dornen, Lisa hat ihre Fernanzeige gemacht, Jutta hat Lisa gefeiert, ich bin in die Dornen und habe das Tierchen befreit. (übrigens hatte ein anderer Hund, der zwar nicht Suchen gelernt hatte, dessen Frauchen aber während der Suche mit jemandem telefonierte die „sich auskannte“, gesagt in diesem Gebüsch sei der Hund auf keinen Fall mehr dehalb hatten wir am Tag vorher woanders angefangen…). So einfach ist es aber ja in den seltensten Fällen! Wenn der Hund frei läuft, ist die Gefahr, dass man ihn vor sich hertreibt, sehr groß, und das darf auf keinen Fall passieren. Einen eh schon erschöpften, verängstigten Hund mit anderen Hunden quasi zu hetzen, finde ich unverantwortlich. Und was viele nicht glauben ist, dass ein entlaufener Hund schon nach einem Tag sogar vor dem eigenen Besitzer flieht! Es muss also einen Plan zum Einfangen, zur Sicherung des Hundes geben, bevor wir überhaupt loslegen! Ich muss am Verhalten des Suchhundes sehen wann ich nah bin, nicht nah genug für eine Anzeige vielleicht, aber nah genug, den Hund in die Flucht zu schlagen! Und was dann?
  5. Im Einsatz brauche ich eine verlässliche Negativanzeige, das heisst die Information des Hundes „sorry Frauchen, aber den Geruch gibts hier nicht“. Das muss der Hund geübt haben, und wir üben es im Training relativ spät, weil es heikel ist: der Hund soll ja nicht bei jeder Schwierigkeit gleich eine Negativanzeige machen, aber er soll auch nicht vorher viele Kilometer rennen. Er wird fürs Negativ belohnt, es soll nicht unangenehm sein, aber er soll Negative nicht anbieten um schnell an Belohnung zu kommen. Das Ritual „Tüte (mit Geruch“) – Kommando – Losrennen ist tief verankert, und der Hund will Suchen und Rennen. Es gehört Größe dazu zu sagen „hier ist nichts“, und es frustriert. Ich kann das den Hund nicht fünfmal hintereinander machen lassen. Das heißt unsere Startpunkte (wo der Hund zuletzt gesehen wurde) müssen verlässlich sein.
  6. Die oberste Priorität hat für mich der Suchhund – ich setze Familienhunde ein, nicht Arbeitstiere, „Einsatzmittel“.  Und ich möchte sie noch oft einsetzen können. Beim Pettrailing-Einsatz finden sie meistens nicht. Weil der gesuchte Hund gar nicht da war, die Sichtung falsch, oder der andere Vorsprung hat. Auch wenn es kein Negativ ist, wenn sie eine Spur abarbeiten, vielleicht sogar eine heiße Spur (unvergesslich, wie Habca einmal plötzlich losrannte, in dieser Art Matsch die einem kiloschwer an den Schuhen klebt, quer übers Feld, auf der Sche nach einem monatelang verschwundenen Hund, und allen sofort klar war „wir sind ganz nah dran“), und dann ist da am Ende doch – nichts. Oder: der Suchhund kann nicht mehr, und wir müssen abbrechen (so war es mit Habca auf diesem Feld, den Matsch tonnenschwer an den Beinen klebend). Das ist frustrierend! Für Menschen und Hunde. Dann der Versuchung zu widerstehen „noch ein kleines bisschen“ weiterzumachen ist schwierig. Aber auch wenn es durch Abwasserröhren und dorniges Brombeergestrüpp geht, auf Privatgelände, in Wildschweingebiet in die Dunkelheit – muss ich abwägen, was ich dem Familienhund zumute. Chola haben wir im Laufe eines Jahres vielleicht zehn Mal gesucht, und natürlich haben wir jeden erfolglosen Einsatz mit erfolgreichen Trails nach aneren Menschen oder Hunden beendet. Aber ich werde nie vergessen wie Lisa und Habca die letzten Male guckten, als wir ihnen die Tüte mit Chola-Geruch gaben: „Nicht die schon wieder, die finden wir doch nie….!“ – Lisa hatte eine Zeitlang überhaupt keine Lust mehr irgendwen zu suchen, und wir haben sie nicht mehr eingesetzt bis sie im Training ihre Begeisterung zurückgewonnen hat.

Also bitte, probiert es nicht „einfach mal aus“. Das Risiko, mehr Schaden anzurichten als zu nützen, ist zu groß! Bringt Euren Hunden in Ruhe bei, was ihr von ihnen wollt, tut Euch mit Freunden zusammen, engagiert einen Trainer, übt so realistisch wie möglich. Lernt was über das Verhalten verschwundener Hunde, und überlegt Euch wie ihr sie sicherstellen könntest, wenn ihr sie gefunden habt. Sucht Euch Fälle heraus bei denen Eure Hunde eine Chance haben. Für den Hund der da auf der Flucht ist, ist das Freizeitvergnügen Eures Hundes kein Spaß.