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Die Mehrheit der Mütter entbindet ja im Krankenhaus, das heißt, irgendwann steht man vor der Frage: „Wie sag ich’s meinem Hund?“ bzw. wie stelle ich Hund und Baby einander vor?

Ich habe mir einige Gedanken dazu gemacht, wie es für alle Beteiligten gut sein könnte. Ich war fünf Tage im Krankenhaus, mein Mann war bei mir, die Hunde zuhause mit einer (naja, nicht: „einer“, sondern: der weltbesten) Hundesitterin. Meine Hunde sind beide ziemliche Mamakinder: Habca hat sich, bevor sie wegen ihrer Krankheit so verfressen wurde, geweigert, mit anderen Menschen auch nur vor die Tür zu gehen, und hat schon mehrere Hundesitter zur Verzweiflung gebracht. Mittlerweile gibt es zwei Freundinnen, die für die Hundemädchen ok sind, beide waren in Bereitschaft, und eine ist dann hergekommen. Dennoch war klar, dass Habca und Rike ziemlich aufgeregt sein würden, mich nach fünf Tagen und einem zwar recht ruhigen, aber dennoch nächtlichen und irgendwie ungewöhnlichen Aufbruch, wieder zu sehen. Deshalb habe ich mir vorgenommen, dass sie erstmal mich in Ruhe begrüßen (bestürmen) dürfen – ohne neuen Mensch. Auf den hat solange der Papa aufgepasst, und dann habe ich die zwei geholt.

Es wird immer mal empfohlen, dem Hund vorab ein getragenes Kleidungsstück oder auch eine volle Windel des Babys mitzubringen. Das habe ich nicht gemacht, weil ja mein Geruch mit da dran gewesen wäre, und den in meiner Abwesenheit den ohnehin leicht angespannten Hunden zu präsentieren, hätte sie meiner Meinung nach irritiert. Zudem glaube ich, dass sie den „Familiengeruch“, den das Baby hat, eh als meine Verwandtschaft identifizieren. Andere Trainer glauben übrigens, man würde dem Hund durch das Mitbringen von Kleidungsstücken signalisieren, dass er sich um das Kind kümmern soll. Halte ich für eine steile These, aber wie so oft mit den Hunden: letztlich wissen wir nicht, was sie sich bei so einer Aktion denken, können es nicht beeinflussen und werden es wohl auch nie erfahren. Für mich macht es keinen Sinn.

Ich habe stattdessen lange vor der Geburt das Outfit, das das Baby beim Nachhausekommen tragen sollte, mit unserem Familiengeruch, äh, imprägniert. Also ich habe es offen rumliegen lassen und auch mal mit ins Bett genommen. Nur so als kleine Unterstützung.

Nachdem die Hunde also mich begrüßt hatten und meinen eher ungewaschenen Geruch voller verschiedener Körpersäfte gebührend gewürdigt hatten, habe ich das Baby geholt und auf den Arm genommen. Es war mir wichtig, das selbst zu machen, und ich war zum Glück auch fit genug. Ich habe mich auf den Boden gehockt und es ihnen kurz gezeigt, und dann gab es was zu Kauen – was sie deutlich spannender fanden als das Kind. Mir war diese Mischung wichtig: sie dürfen es anschauen und abschnuppern, es ist nicht verboten (was Dinge ja sehr spannend machen kann), aber es ist auch nicht wahnsinnig wichtig für die Hunde, sie müssen da nichts mit machen. Ich dränge sie nicht zu Interaktion oder Erkunden. Habca zum Beispiel fand es, in Anwesenheit ihrer wartenden Kaustange, komplett uninteressant – das ist ok. Sie hat einen Tag später mal die Händchen angeleckt, als es sich ergab, und schnuppert manchmal am Baby-Kopf, das wars.

Rike fand gerade am ersten Tag die Geräusche des Babys sehr interessant – sie findet ja diverse Geräusche spannend, guckt dann sehr und legt den Kopf schief. Als das Baby weinte, war ihr nicht geheuer, und sie ist aus dem Raum gegangen. Das finde ich eine sehr kluge und gute Reaktion, die ich bei beiden Hunden unterstütze (lobe): mir ist wichtig, dass Hunde wissen, dass sie weg gehen können, wenn sie was blöd finden oder ihnen etwas zu viel ist. So viele unschöne Situationen (auch unter Hunden) entstehen, weil ein Hund denkt, er könne nicht weggehen!

Seit Tag zwei ist Rike cool mit allen Geräuschen und sehr am Baby interessiert, (vor allem, wenn es eine volle Windel hat.)  Wenn sie vom Spaziergang ohne mich und Baby zurückkommt, sagt sie mir hallo, und sucht dann das Baby. Ich glaube, die zwei könnten mal dicke Freundinnen werden.

Aber wenn nicht, ist das auch ok. Ich versuche, den Hunden zu zeigen, dass da jetzt jemand Neues ist, der zu uns gehört, dass das nicht schlimm und für sie auch nicht wahnsinnig aufregend ist, dass ich auf die Bedürfnisse aller achte (auch meine). Es gibt aus meiner Sicht keine Konkurrenz zwischen Hund und Baby (was man ja oft liest), oder anders: als Trainerin weiß ich, dass Ressourcenprobleme dann entstehen, wenn Ressourcen knapp sind. Die Ressourcen „Miriams Liebe“ und „Zeit“ und „Aufmerksamkeit“ sind aber glücklicherweise nicht knapp. Es ist genug für alle da, und gibt damit keinen Grund, seine Interessen zu verteidigen.

Ich habe mittlerweile auch schon was mit den Hundemädchen allein, ohne Baby, unternommen – was gleichzeitig total schön und seltsam war. Aber ich achte darauf, dass die Hunde nicht assoziieren: „wenn das Kind nicht dabei ist, haben wir Spaß (wie früher), wenn das Kind dabei ist, hat Mama kein Auge für uns (- also ist das Kind blöd)“. Das ist ein Fehler, der schnell passiert, und vor dem ich Kunden immer warne: man nimmt sich in guter Absicht Zeit für die Hunde, organisiert das Kind weg, und alles ist super, und wenn das Kind wieder da ist, liegt der Hund unbeachtet in der Ecke.

Durch mein Menschen-Baby soll es meinen Hunden nicht schlechter gehen, sie werden nicht von ihrem Thron verstoßen, und bekommen nicht weniger Liebe als vorher. Oft höre und lese ich, dass das so sei, und manchmal geht es vielleicht auch wirklich nicht anders. Ich selbst hatte etwas Angst davor, dass ich nach der Geburt den Hunden gegenüber anders fühlen würde – „weniger“, auf eine Art. Tatsächlich war es kurz seltsam, Rike kam mir so groß vor (weil das Kind so klein ist), und Habca so tollpatschig, und das Baby und ich so verletzlich. Aber das hat sich nach einem Tag gegeben.

Wie vor der Geburt, sind meine Hunde bei allem dabei, was ich mache, sie liegen beim Stillen um mich herum, trapsen mit zum Wickeltisch und legen sich dahin. Wir liegen gern alle auf einem Haufen, mit Baby und Hunden. Rike schläft weiter im Bett. Es ist nicht so, als hätte sich nichts verändert – auf eine Art hat sich alles verändert. Ich denke, es ist die Basis, die gleich geblieben ist, und uns trägt: dass ich die Hunde liebe, und sie das wissen. Dass sie sich auf mich verlassen können. Dass wir gern zusammen sind.

Und ich weiß auch, dass ich ganz viel Glück hatte und habe: dass das Baby und ich gesund und sind und fit genug waren, um das Kennenlernen so zu gestalten,  wie es mein Plan A war. Dass mein Mann sich lange frei genommen hat und bei uns ist, und damit zwei weitere Hände zum Kuscheln und Tragen und Kraulen und Futter machen und Wickeln und am Spielzeug ziehen.

Wenn das nicht so ist, und das Kennenlernen nicht so toll läuft, heißt übrigens meiner Erfahrung nach nicht, dass alles verloren ist. Ein Hund kann auch mit der Zeit lernen, sich vorm Baby nicht zu gruseln oder Rücksicht zu nehmen oder nicht eifersüchtig sein zu müssen. Aber wenn ihr könnt, versucht gleich den ersten Eindruck gut zu gestalten. Und auch hier gilt wieder: wenn ihr unsicher seid, sucht euch einen guten Hundetrainer, der das mit euch plant. Dafür sind Experten da.