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„Nomi-Schatz?“

„Oh, Vorsicht, Nomi, wenn sie so anfängt kommt nichts Gutes!“, mischte Habca sich ein, „Ohrentropfen oder so, pass auf“.

„Ach Quatsch. Nomi, ich möchte, dass du dich mit Jack anfreundest.“

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Nomi schaute mich kurz an. „Findest du nicht, dass ich für einen aggressiven Hund schon ziemlich viele Freunde habe?“

Ich dachte nach: da ist Habca, ihr Adoptivschwesterchen, Crazy, ihr Liebhaber, Professor und Kuthir, mit denen sie jeweils einmal pro Woche flirtet, Bandit, der ihr die Ohren ausschlecken darf. Früher der Merlin, und Mauri. Tao darf sogar bei uns im Schlafzimmer schlafen. Ouzo und Lotte sind erträglich. Mit Hunter hat sie ja auch geflirtet! Nomi hat ja mehr Freunde als ich!

„Also, ‚aggressiver Hund‘ wollen wir ja schonmal gar nicht sagen, du weißt doch: keine Labels. Du bist eine Hündin, die manchmal unangemessen aggressiv reagiert.“

„Mmh-mh.“

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„Du hast dich an so viele Hunde gewöhnt. All deine Freunde waren dir früher mal fremd, weißt du noch?“

„Fremd? Wo?“, regt sie sich gleich auf, „fremde Hunde mag ich nicht!“

„Ja, aber genau das ist es doch: bevor man Freunde hat, freundet man sich an, davor lernt man sich kennen, und noch davor sind es Fremde.“

„Fremde Hunde! Mag ich nicht! Tod, Verderben!“, rief Nomi.

„Ich meine ja uch gar keine fremden“, lenkte ich schnell ein, „ich rede vom Jack! Den kennen wir ja eigentlich schon total gut, du hast ihn schon drei- oder  viermal gesehen! Der war schon im Auto und im Büro und mit uns spazieren.“

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„Mmh.“

„Tja, und ich glaube, du könntest ihn mögen.“

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Woher kommt die Freundschaft – wenn sie kommt? Wie wird der Fremde zum Vertrauten? 

Es braucht Zeit.

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Es braucht gemeinsame Erlebnisse.

Aus den gemeinsamen Erlebnissen werden gemeinsame Erinnerungen.

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Aus Erlebnissen und Erinnerungen wird Einschätzbarkeit und Vertrauen.

Ich kann das auch biochemisch ausdrücken: Um eine Bindung zu stiften, braucht es Oxytocin (das Bindungshormon, oder „Kuschelhormon“, wird zum Beispiel beim Streicheln freigesetzt), Cortisol (das „Stresshormon“, oder Stressbewältigungshormon), Adrenalin (das Abenteuerhormon), und Dopamin (das „Erfolgshormon“).

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Wenn ich möchte, dass zwei Hunde sich anfreunden, versuche ich, mit ihnen gemeinsam etwas Aufregendes zu erleben, etwas Schwieriges erfolgreich zu bewältigen, und anschließend gemeinsam zu entspannen, sie beide zu streicheln.

Ich will, dass sie sich müde laufen, dass sie ihre Energie loswerden, ich will sehen dass die Köpfe und Schwänze allmählich sinken.

Ich warte, dass das Gegenmarkieren weniger wird. Dass sie die Nähe des Anderen nicht aktiv vermeiden, nicht übertrieben viel beschwichtigen.

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Und ich versuche, ihnen Zeit zu lassen: Zeit, den anderen kennen zu lernen. Zeit, sich aneinander zu gewöhnen, zu habituieren. Zeit, einander einschätzbar werden zu lassen.

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