Die Abschlecktherapie

Klar, Habca schleckt und leckt viel, gehört ja so. Mit der Zungenspitze das unbekannte Futter testen. Wenn ich „Trinken“ gesagt habe, sie aber gar nicht trinken will, leckt sie sehr höflich über die Wasseroberfläche, mirzuliebe. Natürlich leckt sie andere Hunde an Stellen, an denen Menschen sich nicht in der Öffentlichkeit lecken würden, und wenn sie nach dem Essen einen dreckigen Bart hat, schleckt sie mit Inbrust am Sofa. Sie leckt schwitzige Füße und Beine im Bus, wenn ich nicht schnell genug war, sie davon abzuhalten, mit der Mine eines Weintesters, sehr vorsichtig und dabei so schnell, dass manch einer an sich herunterblickte und gar keinen Hund mehr entdeckte. Wenn ich nach Hause komme, untersucht sie meine Hose und Schuhe und probiert hier und da, nicht an die Mutter erinnernd, sondern eher an eine große Schwester, die fragt „Na, wo hast Du dich wieder rumgetrieben? Wen hast Du getroffen?“, und ich nehme an, die Geruchs- und Geschmacksproben offenbar ihr da mehr, als ich mancher Schwester hätte erzählen mögen.

Wenn ich aber besonders müde und erschöpft nach Hause komme, angestrengt von all dem Denken und nicht immer begeistert von der Aussicht, den Hund, der sich ja nun ein paar Stunden gelangweilt oder zumindest ausgeruht hat, auszuführen und zu beschäftigen, wenn ich mich dann kurz aufs Bett fallen lasse und überlege, was ich noch alles lesen und tun muss–

dann steht sie neben mir, schaut mich mit ihrem intensiven Tibeterblick an, und leckt mein Gesicht ab, sehr bestimmt, systematisch, mit Nachdruck. Sie kommt mir vor wie eine Hundemutter, die ihren Welpen reinigt, sie nimmt ihre Aufgabe sehr ernst, es ist kein spielerisches Lecken. Und wenn ich, wenn sie fertig ist, ins Bad gehe, fühle ich mich tatsächlich ein bisschen belebt. Vielleicht ist das eine Art Akkupressur, oder fällt das schon unter Tiergestützte Therapie? ;-)