In Aggression, Angst, Entspannungstraining, Hundephilosophin, Hundetraining, Mensch-Hund-Beziehung, Philosophisches zu Hunden

Meditation – oder auch Achtsamkeitstraining – gehört heute ja irgendwie schon zum guten Ton. Wer es nicht macht, weiß zumindest, dass er es machen sollte. Das nervt ja schon fast wieder, oder? Ich habe aber in letzter Zeit festgestellt, dass mir nicht nur meine eigene Meditationspraxis beim Hundetraining hilft, sondern auch: dass Hundehalterinnen, die regelmäßig meditieren, manche Aspekte von Hundetraining viel schneller klar werden, und sie sie viel leichter bewältigen.

Folgende Gemeinsamkeiten von Hundetraining (oder dem, was ich darunter verstehe) und Meditation sind mir ins Auge gefallen:

1. Man muss es tun

Ihr kennt auch diese Menschen, die sehr viel über Meditation sprechen, oder? Darüber, dass sie ja eigentlich gern meditieren würden, es vielleicht sogar manchmal tun, aber gerade noch die perfekte App suchen. Oder die noch Yogakissen und Sitzkeile im Internet bestellen müssen, bevor sie dann wirklich anfangen können. Aber diese Woche ist so stressig, das passt nicht, und jetzt ist es zu heiß, und dann kann man auch gleich auf Neujahr warten. Oder erst noch einen Kurs machen?
Diese Menschen gibt es im Hundetraining auch. Sie brauchen erst das perfekte Geschirr, eine neue Leine, drei andere Leckerlitaschen, jetzt ist zu heiß, dann zu kalt, wenn es regnet geht der Hund nicht gern raus, wenn man gestresst ist, soll man nicht trainieren, dann ist der Vater oder das Kind krank und dann ist erstmal Urlaub.
Und überhaupt: hat man das Trainingsprogramm denn schon vollständig verstanden? Was ist nochmal der überübernächste Schritt? Besser nochmal einen Kurs machen und drei Bücher lesen. Neue Leckerli besorgen und einen anderen Klicker.
Ich übertreibe vielleicht ein bisschen. Aber nicht viel!
Menschen, die regelmäßig meditieren, wissen: Man muss es tun. Man muss anfangen. Und zwar jetzt. Heute. Und ab heute tut man es jeden Tag. Ja, auch wenn man keine Lust hat. Wenn es zu warm ist und der Tag stressig war. klar ist es gut, wenn man vorbereitet ist und einen Plan hat. Aber es bringt nichts, wenn man vor lauter Planen nicht mehr zum Tun kommt. Man lernt es nämlich nur beim Tun. Oder, wie Krishnamurti sagte:
 „Meditation kann man nicht von jemandem anderen lernen. Man muss damit anfangen, ohne etwas davon zu wissen und von Offenheit zu Offenheit fortschreiten. Der Boden, auf welchem der meditative Geist sprießen kann, ist der Boden des alltäglichen Lebens, die Bemühungen, der Schmerz und die vergänglichen Vergnügungen. […] Man muss irgendwie vom anderen Ende her kommen, vom anderen Ufer, und sich nicht immer mit diesem Ufer befassen und wie man den Fluss überqueren könne. Man muss sich ins Wasser stürzen ohne zu wissen, wie man schwimmt. Und das Schöne an der Meditation ist, dass man nie weiß, wo man ist, wohin man geht und was das Ende ist.“

 2. Es braucht deine volle Präsenz im Moment

 

Tatsächlich kenne ich wenige Tätigkeiten, wofür man diese entspannte Aufmerksamkeit, die volle Konzentration, so braucht wie bei technisch gutem Hundetraining. Die Wahrnehmung ist ganz weit aufgespannt, man kriegt alles mit, und ist doch ganz fokussiert auf das eine. Man ist voll konzentriert, darf dabei aber nicht verspannen. Man kann nicht währenddessen umplanen oder an was anderes denken. Auch Spitzentrainer machen es so: wenn sie dokumentieren oder nachdenken wollen, unterbrechen sie das Training, packen das Tier nach Möglichkeit weg, und denken dann nach. Im Training ist man im besten Fall im Flow. Im schlechtesten Fall klappt das nicht, die Gedanken schweifen immer wieder ab, man übersieht was, ist zu langsam, es „flutscht“ nicht, macht keinen Spaß. Und so ist es bei der Meditation auch!

Ich würde behaupten, ein Großteil der Meditationspraxis besteht darin, den Geist immer und immer wieder freundlich in den Moment zurück zu bringen. Ohne sich am Ärger darüber festzuhalten. Der menschliche Geist ist so! Der schweift immer wieder ab! Und immer wieder bringst du ihn freundlich zurück zu dem, worauf du achten wolltest. Den Atem zum Beispiel.

Gerade ungeübte Hundehalterinnen verpassen den Großteil der Signale ihres Hundes. Sie sind zu sehr damit beschäftigt, nachzudenken, zu verstehen, sich selbst zu kontrollieren, die Umgebung abzuscannen. Blöd ist: ein Hund, der merkt, dass seine Signale nicht beachtet werden, und dem da aber was wichtig ist, hat nur die Möglichkeit, zu eskalieren. Lauter zu werden. Deutlicher. Und das wollen Menschen nicht. – Da hilft nur, dass wir selbst leiser werden. Hinhören und Hinsehen lernen – mit schweigendem Geist. Und unserer vollen Anwesenheit.

3. Bewerte nicht

Menschen neigen dazu, das, was sie sehen und erleben, sehr schnell zu bewerten. Wir teilen ein: das wollen wir – und das nicht. Das soll so nicht sein.

„Es ist doof, dass mein Hund sich so verhält.“ Oder „ich bin dumm/ ungeschickt/ falsch, wenn mein Hund das und das noch tut“, „ich schaff das nicht“, „er ist blöd“, „es ist eine Katastrophe“, „was denken die Anderen“.

Klar hätten wir manches (oder auch vieles) lieber anders. Das ist wahrscheinlich der Grund, das wir hier sind und trainieren. Aber die Bewertung und Verurteilung versperrt uns den Weg, erst einmal zu sehen, was ist. Wir bewerten schneller, als wir wahrnehmen.

Meditation hilft uns, hinter diese Bewertungen einen Schritt zurück zu treten. Es geht nicht darum, sie wegzudrücken – sondern auch sie achtsam wahrzunehmen, ohne uns von ihnen mitreißen zu lassen und sie unser weiteres Tun diktieren zu lassen.

Wenn da Traurigkeit ist über deinen Hund oder das was er tut, nimm die Traurigkeit war. Wenn der Kontrollverlust dich wütend macht, lass die Wut da sein und nimm sie war. Und wenn dein Hund beim Anblick eines anderen Hundes wütend wird: sieh seine Wut, nimm sie wahr, und lass sie da sein.

Das heißt nicht, dass du gar nicht mehr handeln sollst. Aber oft handeln wir in dem Wunsch, ein Gefühl, das wir nicht haben wollen, wegzudrücken. Und das führt zu nichts gutem.

Susan Piver schreibt in einem meiner Lieblingstexte:

„Meditation lehrt uns, mit dem leichten Schmerz der Traurigkeit zu entspannen und bei uns zu bleiben, sie nicht zu etwas anderem zu machen. Wenn wir Traurigkeit bekämpfen, entsteht Verzweiflung. Mitgefühl entsteht, wenn wir das nicht tun. Traurigkeit fühlt sich nicht „gut“ an – aber lebendig, und diese Lebendigkeit ist der Weg zum Glück.“

Ich habe dieses Dasein-Lassen und erstmal wahrnehmen, ohne zu bewerten, tatsächlich viel an Traurigkeit geübt. Heute kann ich Traurigkeit anerkennen, und irgendwann dann auch wieder gehen lassen. Sie bringt mich nicht in den Zugzwang, sofort etwas gegen sie unternehmen zu müssen. Und ähnlich ist es mit einem ausrastenden Hund: Ich muss ihn nicht bekämpfen. Ich sehe seine Not, seine Verzweiflung. Ich habe nicht den Impuls, ihn zum Schweigen zu bringen, runterzudrücken, dieses Theater irgendwie zu beenden (und diesen Impuls haben ganz viele Hundehalterinnen und auch ganz viele Trainer!). Ich sehe ihn, ich lasse seine Gefühle da sein, und ich helfe ihm. (Das heißt nicht, Zeit zu verlieren und ihn erstmal eine Weile toben zu lassen – das geht gleichzeitig.)

 

4. Geh in Verbindung

Es ergibt sich aus dem Vorhergehenden – wenn wir achtsam präsent im Moment bleiben, nicht alles gleich beurteilen und weder uns noch den Hund verurteilen – dann gelingt auch echte Verbindung zum Hund.
Wer nicht wirklich „da“ ist, kann auch nicht „für jemanden da sein“ und ist dem, der Probleme mit der Welt hat, keine Stütze. Wirklich in Verbindung sein, heißt: den anderen ersteinmal sehen. Nicht unser Bild von ihm, unsere Geschichten. Nicht die Label, die wir ihm im Laufe der Zeit aufgeklebt haben: aggressiv, dickköpfig, eigensinnig, schwierig. Nicht die Urteile, unsere oder die der anderen. Einfach nur dasein und sehen.
Und genau das übt man in der Meditation. Noch einmal Susan Piver:
„When we practice letting thoughts go to return to breath, we are practicing letting go of concept to come back to the present moment. After all, our breath can only be in the present. There is no such thing as connecting with a breath in the past or future. This comes in so handy with other people, when we can let go of our ideas, hopes, and fears about them to instead place our attention on them. […]

The Zen priest and poet John Tarrant Roshi said, “Attention is the most basic form of love. Through it we bless and are blessed.” I try to work this into every conversation because it is just that meaningful and true. If attention is the basic form of love and meditation practice is working with attention, well, there you have it. When we practice meditation, we practice love.“

Wir sollten nicht unterschätzen, wie wichtig unser Atem für gutes Hundetraining ist. Die allermeisten Menschen, die das nicht speziell geübt haben, nehmen nicht wahr, wie sie gerade atmen. Dein Hund nimmt es wahr, und nimmt es als Information.
Entspannte Atmung im Hundetraining ist wichtig, weil wir damit entspannte Stimmung übertragen können, weil wir uns selbst besser konzentrieren können, weil wir uns in eine entspanntere Verfassung bringen können, und weil wir dem Hund signalisieren können, dass alles in Ordnung ist. So oft höre ich Menschen zu ihrem Hund sagen „alles gut“ – auf eine Art, die mich mich umschauen und nach Monstern suchen lässt. Wisst ihr, was ich meine? Ein tiefes, hörbares Ausatmen ist für den Hund eine klare Entspannungs-Information, und entspannt den atmenden Menschen auch tatsächlich. Praktisch!
Atmen übt man beim Meditieren. Man kann auch mit dem Hund zusammen atmen üben!
Mehr über Atem als Trainingstechnik im Hundetraining hier.

Jetzt gehe ich mit meinen zwei Hundemädchen atmen und meditieren, und bin gespannt, was ihr zu meinen Gedanken sagt.

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