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„Wesenstest“, so nennt man den Test, den Hunde bestimmter Rassen in den meisten deutschen Bundesländern ablegen müssen. Da sträuben sich der Philosophin die Haare, denn um mehr über das Wesen eines Hunde-Individuums zu erfahren, müsste man wohl etwas mehr Mühe aufwenden. ;-)

Was ein wesenstest bei Hunden genau beinhaltet, ist nicht einheitlich geregelt. Grundsätzlich soll er eine Reihe von Provokationen – z.B. drohendes Anstarren, Konfrontation mit gleichgeschlechtlichem Hund, torkelnde Person die nach Alkohol riecht, Bedrohung durch eine Person mit Stock, Anrempeln, Personen, die sich auf den Boden werfen, usw. – möglichst gelassen über sich ergehen lassen.

Ein häufiger Bestandteil solcher Wesenstest ist folgende Situation: Der Hund und seine Bezugsperson stehen in der Mitte eines Kreises fremder Menschen, die sich rasch auf die beiden zubewegen, bis sie ganz eingeschlossen sind. In einem zweiten Durchgang ist der Hund allein im Kreis, der Besitzer bleibt außerhalb.

Diese Situation haben wir gestern abend in der Hundeschule geübt. Ich war ziemlich unsicher, ob ich das mit Habca überhaupt machen soll, denn sie ist ängstlich gegenüber Fremden, und ich möchte sie jetzt in keinem Fall eine schlechte Erfahrung machen lassen. Was soll sie denken, wenn plötzlich zehn fremde Leute sie ganz einengen? Was, wenn sie die Situation – auf die sie nicht vorbereitet ist – als so bedrohlich empfindet, dass sich ihre Ängste, an denen ich jetzt schon so lange arbeite, wieder verschlimmern?

Die meisten Hunde haben sich gut geschlagen, einige sind einen Schritt zur Seite gewichen, zwei sind, als sie allein waren, aus dem Kreis geflohen. Wir waren die letzten, die noch nicht dran waren.

Die Leute sind nicht ganz fremd für sie, dachte ich, es war unsere fünfte Stunde zusammen, und obwohl Habca zu keinem der Menschen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat, muss sie sie ja kennen. Zudem könnte in der Art, wie wir immer wieder den Kreis um einen verunsicherten Hund schlossen, erkennbar sein, dass das nicht wirklich in aggressiver Absicht geschah, sondern eine Art Spiel war. Habca lag die ganze Zeit mit den anderen wartenden Hunden im Platz neben dem Kreis und starrte zu meiner Gürteltasche mit den Wiener Würstchen herüber.

Also entschloss ich mich, es zu versuchen, und rief sie zu mir. Wir standen in der Mitte des Kreises, ich gab ihr kleine Stückchen Wurst und versuchte, mich zu konzentrieren und zu entspannen. Der Trainer erklärte irgendetwas sehr ausführlich, ich atmete tief durch und bemühte mich, dem Hund Sicherheit zu vermitteln, als es hieß: „Erst langsam…“. Habca blickte um sich, wohl etwas irritiert, blieb aber sitzen. Ganz dicht an uns dran standen sie alle, und gingen schon wieder weg. „Jetzt schnell!“, da stürzten sie auf uns zu, eine eigenartige Situation. Habca blieb ruhig und unbeeindruckt. „Jetzt ohne Dich.“ Ich redete einfach von außerhalb des Kreises mit ihr, lobte sie für ihr „Sitz“. „Und schnell“. Zwischen den ganzen Beinen konnte ich das Hündchen gar nicht mehr sehen. „Noch besser als mit Dir“, rief der Trainer, und Habca war befreit.

Angeblich sollen solche Tests z.B. Aufzugssituationen nachstellen. Mit der Enge im Aufzug oder in vollen Bahnen hat Habca nie ein Problem. Aber damit dass jemand frontal auf uns zukommt eben manchmal schon. Deshalb finde ich es gar nicht selbstverständlich, dass sie das gestern so prima gemeistert hat, und bin jetzt doch ein bisschen stolz. :-)


Wir arbeiten weiter an der Wesensfestigkeit…

Showing 7 comments
  • Merlin + dojan

    Hi Habca, hast du prima gemacht! Aber so richtig wundern tut es uns nicht. Wir haben schon viele solcher Wesenstests beobachtet und selbst abgenommen, aber dass ein Hund im Kreis panisch wird, haben wir nur ein einziges Mal erlebt, aber der war eh schon vorher hyperängstlich.
    Dein Frauchen traut dir wohl nicht genug zu :-)

    Wuffwuff
    Merlin und Dojan

  • Wurschti

    Wenn wir so etwas in unserer Hundeschule üben würden, dann wäre Dauerklicken und Dauerfüttern angesagt. Der Klick gibt dem Hund die Sicherheit, dass alles in Ordnung ist.

    Wurschtis Schwester Shari ist so ein Spezialfall. Sie hat eigentlich nie Angst, aber bei diesem Kreis hat sie arge Probleme:

    Shari

    Muss also nicht immer etwas mit prinzipiell hyperängstlich zu tun haben.

    Viele Grüße,

    Jörg

  • Julia

    Unsere Joyce (als StaffMix) musste besagten Wesenstest machen. Selbst als junge, damals 15 Monate alte und meiner Meinung nach alles andere als wesensfeste, Hündin, meisterte sie all‘ diese Situationen sehr gut.

    Hinzukommen ja auch noch Jogger, „betrunkene“ Männer mit Hut und Mantel, Rollstuhlfahrer, aufdringliche Autofahrer, die nach dem Weg fragen und und und.

    Davon abgesehen, dass ich auch der Meinung bin, diese Test seien (zumindestens in jener Form!) überflüssig, muss ein Hund schon massiv aggressiv reagieren, damit er den Test nicht besteht.

    Hunde dürfen in solch fremden Situationen ruhig ängstlich sein, aber niemals Angst-Aggression zeigen – darauf kommt es den Testern wohl an!

    Auf dass es bald eine neue, bessere und vor allem mal bundeseinheitliche Regelung gibt!

  • Banjoko Silberlöwe

    ich würde auf jeden Fall bellen, wenn die auf mich zukommen. Ob es Frauchen gelingen würde mich zu beruhigen, weiß ich nicht. Wir haben so was noch nie ausprobiert.

    Alleine blieb ich allerdings gar nicht dort sitzen. Ich würde sofort bellen und weg laufen, wenn Frauchen weg geht.

    Ih würde zwar niemandem etwas tun, aber damit würde ich bestimmt den Test nicht bestehen.

  • lysch

    Gut gemacht, Habca! Hoffentlich hast du dir das ordentlich mit Leckerlis bezahlen lassen! ;o)

    LG Alex

  • Habca & Miriam

    @Merlin und Dojan: Stimmt Frauchen traut mir viel zu wenig zu! Deswegen war ich auch ohne Frauchen besser!
    @Banjo: … denn sonst muss auch ich mein Frauchen manchmal beschützen vor Betrunkenen und anderen Männern die nach dem Weg fragen oder gerne über Frauchens verschiedene Körperteile reden wollen, da bin ich sehr gefährlich, so wie Du. Also war es leichter, als ich nicht auf Frauchen aufpassen musste. Sitzen bleiben kann ich gut, denn Frauchen hält viel von dem was sie „Grundgehorsam“ nennt, und ich halte viel von Keksen. Außerdem versuche ich ja schon Frauchen zu gefallen…
    Wuff und Knurr, Habca

  • Habca & Miriam

    … nur gefällt es mir halt nicht so gut, wenn sie Leute anbellt. Ich glaube, besonders ängstlich ist sie nicht, nur 1.) etwas schreckhaft, und 2.) mit Schutztrieb bedacht.
    @Wurschti: Shari füttern ist jetzt wahrscheinlich ein großes Familienvergnügen, alle stehen im Kreis um das Schnitzel rum… ;-)
    @Julia: Prima, dass Ihr bestanden habt! Wenn Habca den Eindruck hätte, dass die mir was tun wollen, würde sie wahrscheinlich hingehen und bellen, könnte mir vorstellen, dass Richter das nicht so gut fänden. Übrigens stelle ich mir die Situation ziemlich absurd vor. Wie fandest Du es?
    @Lysch: Wiener Würstchen!

    Miriam

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