In Hundepsychologie

In welcher Reihenfolge geben wir unseren Hunden was? Wir alle geben ihnen Zuneigung, Futter, Schutz, Beschäftigung, verlangen Gehorsam, trainieren, spielen, kuscheln, wollen Respekt, verbieten, erlauben… aber was wann, und was zuerst?
Anita Balser weist in ihrer Hundehalterschulung darauf hin, dass Menschen die einen Hund adoptieren, insbesondere einen Welpen, diesen zunächst mit Zuneigung überschütten und sehr viel später erst anfangen Respekt einzufordern oder Grenzen zu setzen. Hunde die ungestört agieren machten es andersherum, berichtet sie, erst komme das Einfordern von Respekt und Ruhe in Form von Bewegungseinschränkung, und später die Zuneigung. Es sei für einen Hund schwer verständlich wenn der Mensch sich entgegengesetzt verhalte.
Der „Hundeflüsterer“ Cesar Milan – dessen Methoden ich im Gegensatz zu Frau Balsers Methoden nicht schätze, warum könnt Ihr zum Beispiel hier nachlesen – beharrt auf der Reihenfolge Exercise (körperliche Auslastung) – Discipline – Affection. Auch er stellt die Zuneigung zeitlich ans Ende.

Für Menschen die Hunde lieben ist das auf den ersten Blick seltsam. Wollen wir nicht dem kleinen Welpen, dem unsicheren Neuankömmling, dem aus der Tötungsstation geretteten Nothund ersteinmal zeigen dass er es bei uns gut haben wird, dass wir ihn mit Liebe überschütten werden und entschädigen für alles was vorher war, dass jetzt alles gut ist und wir furchtbar nette Menschen? – Ich habe das schon so zugespitzt formuliert dass Ihr beim Lesen merkt: das würde jeden Hund überfordern.

Ich bin im Moment oft in der Situation einen Hund den ich als Trainerin seiner Besitzer kenne, aber zu dem ich selbst nicht unbedingt schon eine Beziehung aufgebaut habe, für ein paar Stunden, einenen Tag oder auch ein paar Tage zu übernehmen. Ich arbeite grundsätzlich mit viel Respekt vor anderen Lebewesen und ihrer Integrität. In dem Moment in dem ich eine Leine übernehme, übernehme ich eine Verantwortung, aber meines Erachtens noch kein Recht. Warum sollte sich dieser Hund von mir etwas sagen lassen? Auf welcher Grundlage, wenn wir uns nicht kennen? Warum sollte ich jetzt anfangen herumzukommandieren? Ich verstaue den Neuen ohne Kommandos, ohne großes Getue und soweit irgend möglich ohne Zwang im Auto, fahre irgendwohin wo Platz ist, dort kriegt er eine Schleppleine ans Geschirr und darf erstmal laufen. Das erste was ein neuer Hund bei mir bekommt ist: Zeit.

Zeit sich an die neue Situation zu gewöhnen, die anderen Hunde kennenzulernen, mich zu beobachten, sich mir zu zeigen, zu präsentieren. Zeit und Raum um zu rennen, um loszuwerden was sich vielleicht angestaut hat, um seinen Bedürfnissen nachzugehen, um zu erkunden, zu schnüffeln, zu schauen, auszuprobieren. Kein Rückruf, kein Gerede, kein Streicheln oder andere Annäherungsversuche stören ihn dabei, hier und da ein freundliches Wort und eine lange Leine die irgendwann zu Ende ist reichen aus.

Aber. Ein Aber kommt noch, bevor es weiter geht. Ich habe mich als Philosophin mit „Emotionstheorien“ beschäftigt, mit Gefühlen. Und ich bin (wie andere vor mir, natürlich, und wieder andere eben nicht) zu dem Schluss gekommen, dass unsere Handlungen und unsere Sätze immer schon durchtränkt sind mit Emotion. Dass Emotion nicht etwas ist was ich irgendwann später obendrauf packe. Wenn ich eine Leine in die Hand nehme, so liegt ein Gefühl in dieser Bewegung. Wenn ich einen Hund bitte in mein Auto einzusteigen, er mich einen Moment ansieht und ich ermunternd auf das Polster klopfe, so sind das Bewegungen voller Emotion. Wenn ich die Schleppleine anhake ohne den Hund zu bedrängen, ihn aus dem Auto springen lasse und ihm aufmerksam hinterschaue, seine Bewegungen studiere, dann liegen Emotionen in all diesen Blicken und Gesten und meinen Gedanken. Es geht gar nicht anders.

Comments

Leave a Comment