„Ich lass für dich das Licht an obwohl’s mir zu hell ist
Ich hör mit dir Platten, die ich nicht mag
Ich bin für dich leise, wenn du zu laut bist
Renn‘ für dich zum Kiosk, ob Nacht oder TagIch lass für dich das Licht an, obwohl’s mir zu hell ist
Ich schaue mir Bands an, die ich nicht mag
Ich gehe mit dir in die, schlimmsten Schnulzen
Ist mir alles egal, Hauptsache du bist da“
- der Hund ist depressiv, hat das Interesse an der Welt verloren, ist viel zu angespannt, oder nimmt die Welt gar nicht als einen verheißungsvollen Ort wahr, an dem man erkunden und Dinge erleben kann
- der Hund hat Schmerzen, die er vielleicht nicht direkt zeigt, ist dadurch gehemmt in seinem Verhalten/ Ausdruck
- der Hund hat keine sichere, stabile Bindung an die Person, mit der er unterwegs ist. Er hat Sorge, sie zu verlieren (unter Umständen sogar durch Training?) oder Sorge vor unangenehmer Einwirkung (durch „Training“?) Er traut sich nicht, sich irgendetwas anderem zuzuwenden.
- dem Hund ist ein einzelner Gegenstand, zum Beispiel ein Ball, so wichtig, dass er die Welt nicht mehr wahrnehmen kann – und diesen Gegenstand hat sein Mensch. Auch das kann das Ergebnis von (geplantem oder ungeplantem) Training sein, oder auch von unterlassenem Training. Die Welt des Hundes ist (aus Gründen!) zusammengeschnurrt auf den einen Gegenstand, von dem er weiß, dass er ihm angenehme Gefühle (oder nennen wir es Hormone?) macht. Er kann nicht mehr rechts und links gucken, nicht mehr am Gras schnuppern, das Eichhörnchen kriegt er eh nicht mit. Das ist nicht schön, und nicht gesund.
Wie stelle ich es mir dann vor, das Leben mit Hund? Schließlich kann ein Hund ja nicht machen, was er will? Darf nicht Jagen, nicht den Briefträger vertreiben, die Nachbarskinder maßregeln und seine Hundefeindschaften pflegen? Heutzutage?
Ich stelle es mir so vor:
Mein Hund und ich gehen zusammen durch die Welt, durchs Dorf, durch die Reben, den Wald, die Felder, auch mal durch die Stadt. Ich schaue mir die Umgebung an, mein Hund erschnuppert sie. Mal bleibe ich stehen, um ein Foto zu machen, mal bleibt mein Hund stehen, um etwas näher zu erkunden. Wenn wir durch eine Leine verbunden sind, müssen wir uns dazu gut absprechen. Manchmal reckt mein Hund seine Nase in den Wind, erstarrt, starrt in den Wald. „Da sind Rehe“, sagt er. „Danke, dass du sie mir zeigst“, erwidere ich, „jetzt hast du bestimmt Lust zu rennen, oder? Soll ich dir ein paar Kekse rollen, die du hetzen kannst?“
Ich sage nicht: „hast du mich denn nicht lieber als die Rehe“, denn das ist doch echt bescheuert. Manchmal sage ich nach einer Weile: „whoa, hier ist so viel Wild, dass du mir zeigen kannst, ich nehm dich mal gerade an die Leine, damit ich mir sicher sein kann, dass wir zusammen bleiben“. Manchmal sagt mein Hund „aaah, da ist mein Lieblingsfeind direkt vor uns, ich kann gar nicht an mich halten“, und ich denke „oh Mann, wieso kannst du das nicht besser?“, und dann denke ich daran, wie ich kürzlich einen ganzen Tag lang Herzklopfen und Wut in mir drin hatte nur wegen einem Facebook-Post. Und ich gehe woanders lang, oder auch nicht, manchmal keift die Rike auch über die Straße, und ich habe keine Ahnung, was sie an dem Hund eigentlich so blöd findet. Manchmal sage ich „jetzt reiß dich doch mal zusammen“, zu ihr oder auch zu mir. Manchmal rennt sie aus Versehen los, und ich pfeife, und sie kommt wieder. Am liebsten machen wir es so: wenn sie was interessantes entdeckt hat, schaut sie zu mir, und wieder zurück, und wieder zu mir. So haben wir das trainiert, und das bringt ihr Kekse, oder eine Lösung für ein Problem, oder die Möglichkeit, etwas zu tun, was sie gern tun möchte.
Nein, Rike ist die Welt nicht egal. Und ich glaube, sie hat mich trotzdem ganz gern.
Habca hatte Phasen, in denen ihr die Welt egal war: Wenn ich nicht da war. Oder wenn sie von mir weg sollte, mit jemand anderem spazieren gehen zum Beispiel. Nein, dann konnte ihr die Welt gestohlen bleiben! Wenn ich krank im Bett lag, musste sie nicht pinkeln, nicht essen, nicht rausgehen. Ja: das ist Balsam für ein wehes Herz. Das tut gut. Das lässt alte Wunden und Ängste heilen. Dieser Hund hätte mich niemals verlassen (und ich sie nicht). Sie nahm nichtmal Futter von anderen (bis sie krank wurde).
Ist das Liebe? Vielleicht. Aber was ist dann mit der Liebe des Menschen zu seinem Hund? Ich wünsche mir für die, die ich liebe, dass sie die Welt in ihrem Reichtum, ihrer Schönheit wahrnehmen und erkunden können. Dass sie ganz lebendig sind, mit all ihren Sinnen. Dass sie manches lieben und manches schwierig finden, dass sie etwas wollen, und dass sie sich darauf verlassen, mich nicht zu unterwegs zu verlieren.
Über das Verhalten, wenn wir dann Jagdobjekte treffen und Erzfeinde und Angstauslöser – darüber müssen wir sprechen. Das müssen wir trainieren.
Und vielleicht müssen wir auch darüber sprechen, was es heißt, sich geliebt zu fühlen. Und was es mit unseren Hunden macht, wenn sie diejenigen sein sollen, die uns beweisen, dass sich die Welt um uns dreht. Die uns heilen. Was wir ihnen damit nehmen.