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hundephilosophin1708-19

Ich liebe es, mit meinen Hunden ein ursprünglicheres Leben zu probieren. Die Wälder verlocken mich dazu, oder das Meer, das Zeithaben, das Herumstreifen. Schon als Kind ging es mir so, meine Hunde damals waren unsichtbare Hunde. Wir waren Indianer, die sich an Fremde anschleichen. Wir erfinden Geheimsprachen, die nur wir verstehen. Wir brauchen keine Leinen, keine orthopädisch wertvollen Geschirre, keine Halsbänder, keine Klicker, keine Leckerli.
Ich lese – wieder – von Edgar Sawtelle, der mit seinen drei Hunden wochenlang durch die Wälder streift (Werbelink). Ich lese es genauso fiebrig wie beim ersten Mal. Er trainiert mit seinen Hunden jeden Tag während seiner dramatischen Flucht: „Das erinnerte die Hunde an zu Hause, vermutete Edgar, aber damals hatten sie nur die Bewegungen gemacht, hatten das Gelernte ausgeführt; es war dabei um nichts gegangen. Hetzen. Still sitzen. Ziele wittern. Jetzt festigten diese Übungen das Band zwischen ihnen, brachten sie wieder zusammen, als würden sie die Welt neu erschaffen. Während sie arbeiteten, spannten sie den Himmel aus, setzten die Bäume in die Erde. Sie erfanden Farbe und Luft, Geruch und Schwerkraft. Gelächter und Traurigkeit.“
Aus der Dressur auf dem heimischen Heuboden wird überlebenswichtige Kommunikation: „Bleibt liegen, während ich in das Haus einbreche, um uns Futter zu beschaffen.“
Wenn ich ganz dicht mit meinen Hunden zusammenlebe – in den Ferien ist für die meisten von uns die Zeit dafür – dann werden auch unsere Gespräche lebensnäher. Es geht nicht mehr um „dreh dich“, „geh hübsch neben mir“, oder „lass uns eine Verhaltenskette aus drei Elementen aufbauen“. Nichts gegen diese Dinge! Aber manchmal ist es, als wäre unser Training zuhause nur Grammatik- und Vokabeltraining gewesen, und in den Ferien, im Wald, sind wir plötzlich mitten drin in der Unterhaltung: „Bleibt dicht bei mir, während wir über die Kuhweide gehen“, „wartet hier, ich mache den Stromzaun auf, lauft schnell durch, wartet!“, „Habca, geh dort oben auf der Kante, hier sind zu viele Kletten und Brombeerranken. Lauf da oben parallel zu mir!“ – „bleibt hinter mir!“ – „ok, Rike, du kannst vorlaufen und unser Späher sein!“
Ich bin glücklich, wenn wir uns so verstehen, es ist noch immer das Glück des Indianer-spielenden Kindes. Die Hunde reagieren soft und prompt, sie verstehen alles, ich verstehe alles, es ist kein Raum für Konflikt zwischen uns. „Da stehen Rehe“, sagt Rike, „sollen wir….?“ – „danke, dass du sie mir zeigst“, erwidere ich. Als wir uns im Wald verlaufen, weiß Habca den Weg nach hause. Habca weiß immer den Weg nach hause.

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Ich weiß, dass auch andere diesen Traum träumen – deshalb schauen wir uns so gern Männer an, die mit zehn unangeleinten Schäferhunden durch New York spazieren, oder Mexikaner, die mit zwanzig Hunden hinter sich am Strand joggen. Wahrscheinlich träumen alle Hundehalter davon, mit ihrem nackten Hund, ohne Leine, ohne Halsband, zu laufen, der Hund dicht neben ihnen, er reagiert auf unsere Gedanken, bevor wir sie aussprechen, er schaut uns bedeutungsschwer an. Wahrscheinlich fallen genau deswegen so viele Menschen auf solche Leute herein, solche Videos, und wollen nicht sehen, dass die Schäferhunde Stachelhalsbänder tragen und Meideverhalten gegenüber ihrem Menschen zeigen, und dass der Mexikaner in Hoden und Nieren tritt, wenn ein Hund zu weit vorne ist.
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Ich glaube, dass wir nicht aufhören müssen, diesen Kindertraum zu träumen. Ich weiß es. Ich erlebe es. Ich erlebe es mit der sturen Tibeterin, die selbst beschlossen hat, ihr Leben dicht an meiner Seite zu verbringen, und mit der ich über Jahre  ein Vokabular der Kooperation erarbeitet habe. Ich erlebe es mit meinem kleinen explosiven Mikro-Schäferhund, meinem erzieherischen Experiment: ich habe in ihrem Leben nie die Stimme gegen sie erhoben, geschweige denn die Hand, ich habe sie nie eingeschüchtert, fast nie zu etwas gezwungen, und das Wort „nein“ hat sie nie gelernt. Was sie gelernt hat: dass wir Dinge zusammen tun, sie, die Tibeterin und ich. Dass wir kooperieren, anstatt jeder seine eigenen Wege zu gehen. Dass es mich interessiert, was sie wahrnimmt und tut, und dass sie mir Sachen zeigen kann, die sie spannend findet. Und irgendwann unterwegs hat sie gelernt, dass sie sich abwenden kann: vom keckernden schwarzen Eichhörnchen. Vom Vogel, der vor ihr auffliegt. Von der Wurstpelle auf der Strasse. Dass sie das kann, hat sie selbst entdeckt. Ich habe ihr nur gesagt, dass ich das großartig finde, und auf dieses und jenes habe ich ein Signal gesetzt.
Ein paar Signale sind unsere Vokabeln, Körpersprache, Vertrauen und Respekt sind unsere Grammatik –  mehr brauchen wir nicht, um diese komplexen Sätze zu bauen, um miteinander zu sprechen, als wäre es nicht für alle von uns eine Fremdsprache, dieses Esperanto von Mensch und Hund.

hundephilosophin1708-13

 

 

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