In Hundepsychologie, Philosophisches zu Hunden

In der Rehaklinik leiden einige Leute unter ihren eigenen negativen Gedanken. Sie machen sich selbst fertig, weisen sich Schuld zu, bezeichnen sich als Versager oder gehen gedanklich immer wieder Situationen durch, in denen sie sich schlecht gefühlt haben. Es ist leicht vorstellbar, dass das nicht besonders angenehm für sie ist. Aber sie können einfach nicht damit aufhören. Und es bringt ihnen gar nichts, wenn Ärzte, Therapeuten, Freunde sagen: „Hör auf damit!“

Unser Yogatherapeut hat uns die „Palme“ gezeigt: Man streckt einen Arm mit gespreizten Fingern so weit nach oben wie es nur geht. Und jetzt auf die Zehenspitzen! Man steht da wie eine schlank Palme im Wind. Wahlweise auch mit zwei Ästen (=Armen). Und dann kommt der „Storch“: Einen Fuß legt man nun auf den Oberschenkel des anderen Beines, Knie nach außen, Arme nach oben – und auf die Zehen! Spätestens als der Storch „um Angriff überging“ stolperten die allermeisten lachend über die Matten. Der Yogatherapeut empfahl, diese Übung zu machen, wenn einen die schlechten Gedanken überfallen. Es geht einfach nicht beides!

Der Trick, schmerzhafte Gedanken zu unterbrechen, ist, seine Aufmerksamkeit und Konzentration auf etwas anderes zu richten. Wahrscheinlich ist das ein Grund, warum zum Beispiel Depressive sich so schwer konzentrieren können. Ihre Aufmerksamkeit klebt förmlich an ihrem inneren Schmerz fest. Ein spannendes Buch zu lesen, eine Fernsehsendung zu verfolgen oder ein Kreuzworträtsel zu lösen kann für einen schwer depressiven schon eine völlige Überforderung sein. Aber eine „Palme“ zu versuchen, oder einen „Storch“, das könnte klappen, und den klebrigen Aufmerksamkeitsfaden von den Gedanken wegreißen. Der Körper will nämlich nicht umfallen.

Natürlich sind der Depressive und der Grübler ihre Beschwerden nun nicht los. Sie sind nur für den Moment unterbrochen, längerfristig muss man sich noch etwas anderes einfallen lassen.

Mich erinnert das an Hunde, die gerade im Begriff sind, etwas Unerwünschtes zu tun. Sie rennen zum angeleinten Nachbarshund, atmen schon tief ein weil da vorne ihr Lieblingsfeind kommt oder laufen zum Trinken zu der Pfütze, deren Schaumkrone mir nicht gefällt. Was tut der Hundebesitzer? Er ruft „Nein“, wahlweise auch schon ein erschrockenes „Neeeeein“, oder, was mich einmal besonders zum Schmunzeln brachte, „nein, Fiffi, diesmal nicht, diesmal bist Du brav!“

Mächtig viele Hunde wissen nicht, was Nein heißt. Würde man ihre Besitzer fragen, wüssten die das selbst auch nicht so genau. „Nein“ ist aber genauso ein Signal wie „Sitz“ und „Platz“, es braucht also eine genaue Definition, und es muss systematisch trainiert werden. Komischerweise wird das gerne vergessen, und möglicherweise funktioniert dann ein Verhaltensabbruch, weil der Hund sich einfach über die Aufregung seines Besitzers erschreckt und ihn besänftigen will.

Aber auch Hunde, die wissen, dass Nein bedeutet „hör auf mit dem was Du gerade tust“ haben Schwierigkeiten, wenn sie gerade über die Wiese zu einem angeleinten fremden Hund sprinten und Herrchen ihnen „Nein“ hinterherruft. Oft bleiben solche Hunde kurz stehen, gucken sich zu Herrchen um, und laufen dann weiter. Dann wird Herrchen erst recht sauer, denn „das macht der ja extra!“, „um mich zu ärgern!“, ist „dermaßen frech“, „weiß doch genau dass er das nicht soll“, usw.

Tatsächlich ist die Situation der ähnlich, dass wir als Therapeut vor dem verzweifelten Grübler stehen und sagen: „Jetzt denk halt nicht dran!“

Ich habe mir deshalb eingeprägt: „Nein“ muss immer von einem „stattdessen“ gefolgt werden. „Nein“ ist der Abbruch, der Hund stoppt, guckt, und genau dann sage ich: „Sitz“ oder „Komm her“ oder etwas anderes.

Jetzt muss ich nur noch aufpassen dass ich zu einem aufmerksamkeitsgestörten nicht gerade sage „Nein, denk nicht daran, lies doch lieber Kant“. Das klappt nicht. Ich muss etwas im Prinzip einfaches nehmen, etwas, dass der Hund gut beherrscht und jetzt, unter Ablenkung, in der Lage ist auszuführen. „Platz“ ist häufig schon zu schwer, weil ein unruhiger, vielleicht ängstlicher, vielleicht aber auch dem Fremden imponieren wollender Hund sich einfach nicht gern hinlegen wird. „Komm“ ist auch oft schwer, wenn man gerade sehr aufgeregt ist, und ich will mir unser exaktes „komm“ nicht verderben indem ich dann durchgehen lasse dass der Hund vielleicht doch an mir vorbei läuft.

Gut funktioniert, wenn der Hund noch in meiner Nähe ist, der Fingertouch. Man bringt dem Hund bei, auf Kommando den Zeigefinger anzustupsen. Und wenn wir dann beide auf dem Spaziergang den Lieblingsfeind auf uns zukommen sehen und schon scharf einatmen, dann können wir einen Schritt zur Seite gehen und uns mit dem Fingertouch vergnügen. Man kann den Finger hoch halten, dass der Hund springen muss, oder ganz niedrig, hinter den Rücken, über Gegenstände… Das ist lustig!

„Sitz“ geht auch in den meisten Situationen. Ich nehme noch gerne „hierlang“, das bedeutet: „Vorsicht, Du läufst in die falsche Richtung, geh bitte wieder in die Richtung, in die ich gehe und verkürze den Abstand zwischen uns“.

Nur „Nein, mach das nicht“ ist schwierig, für Menschen wie Hunde. „Nein, mach das nicht, mach das hier“ ist soviel leichter. Machen wir uns beiden das Leben doch leichter, wenn es so einfach ist wie hier!

Comments
  • Heike

    Danke für diese so aufschlußreiche Ausführung – wenn man sich das als Hundebesitzer klar macht, wird plötzlich vieles so viel leichter ;)

    Schöne Ostern wünschen wir Dir und Deinen Lieben
    Heike und Brunop

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