In Mensch-Hund-Beziehung, Tibetterrier

Ich schlafe nachts meistens mit Stöpseln in den Ohren, und obwohl ich anfangs Bedenken hatte, das auch zu tun, wenn ich mit den Hunden allein bin, habe ich gelernt, dass sie wissen, wie sie mich wecken können, wenn etwas ist. Als Nomi nachts mal raus musste, hat sie meine halb aus dem Bett hängende Hand angestupst, und Habca leckt mir im Zweifelsfall durchs Gesicht, wenn sie findet, es sei an der Zeit aufzuwachen.

Letzte Nacht wachte ich plötzlich auf, es muss ein Geräusch gewesen sein. Ich pulte die Teile aus meinen Ohren, richtete mich auf, und lauschte. Nichts. Also wurschtelte ich die Teile wieder rein, und schlief wieder ein.

Da war doch was! Ich richtete mich auf, Ohrstöpsel raus, lauschte angestrengt. Hundebesitzerinnen haben ein eigenes neuronales Netzwerk, das unbewusst permanent den Aufenthaltsort ihrer Hunde registriert und aufzeichnet (vgl. Arndt-Gabriel 2017), mithilfe von Sonar und Radar. Deshalb wusste ich genau: Nomi war im Arbeitszimmer, Tao im Flur, Habca hier im Schlafzimmer. Ich hörte keinen von ihnen. Und war doch ganz schön müde.

Beim dritten Aufwachen hörte ich ein Knurren. Nun haben Hundebesitzerinnen ja ein spezielles Gehirnareal zur Verarbeitung tonlicher und atonaler Äußerungen ihrer Hunde (vgl. Arndt-Gabriel 2024), so dass ich zweifelsfrei verstehen konnte: das war Habcas Knurren wenn sie etwas haben wollte und nicht dran kam. Wenn ein Ball oder ein Futterstück unter den Schrank gerollt war, oder ihre Spielzeugkiste nicht automatisch aufging. Dann legt Habca sich vor das Ziel ihrer Begierde – und knurrt dieses ganz spezielle Knurren.

Es kommt vor, dass sie plötzlich irgendwo einen vergessenen Krümel entdeckt und den haben will und nicht dran kommt. Aber es war halb fünf! Keine gute Zeit, um Frauchen wegen sowas zu wecken. Sie knurrte weiter. Ich weiß mittlerweile dass sie den längeren Atem hat – zumindest wenn ich schlafen will. Ich bin also aufgestanden um zu schauen was los ist.

Aber sie war nicht da. Nichts zu sehen!

Und doch knurrte es – direkt neben mir. Ganz in der Nähe. Sie war nicht in ihrem Bett, nicht in meinem Bett, nicht in Nomis Bett. Aber ganz nah.

Und dann sah ich ihre Nase unter unserem Bett hervorgucken.

So weit, so gut, werden jetzt Kleinhundebesitzer sagen. Aber: Sie passt doch gar nicht unter unser Bett! Ich glaube, ich habe tatsächlich „Hä?“ zu ihr gesagt. Sie lag flach da, konnte den Kopf heben, hinter einer Leiste, oder bis zu den Ohren herausstrecken. Und mir wurde klar: Sie kam nicht raus. „Aber wie bist du denn da rein gekommen?“, fragte ich sie mit der Verzweiflung einer Frau der ein für die Uhrzeit zu komplexes Rätsel gestellt wird.

Erst lockte ich. Dann befahl ich ihr rauszukomen. Dann ging ich weg und lockte sie. Sie probierte nicht viel, aber ich denke sie hatte es schon probiert, und auf dem Laminat konnte sie sich nicht abdrücken oder robben.

Also probierten wir das Modell Kälbchengeburt. An dieser Stelle muss ich erwähnen, wie unglaublich praktisch es ist, wenn der Hund „down“ beherrscht, also das ganz flache Ablegen des Kopfes im Liegen zwischen den Vorderbeinen! Ihr müsst das unbedingt trainieren, falls ihr Euren Hund mal nachts um halb fünf aus einer Notlage befreien müsst!

Eine ganz interessante Anatomies-Lektion lernte ich da: Kopf und Vorderbeine kamen raus, aber die Schultern blieben stecken! Nichts zu machen! Ich wollte ihr die Beine nicht ausreißen, und das Hündchen fing mittlerweile an, gestresst zu hecheln. Ich versuchte es nochmal mit Logik: Gab es denn solche Unebenheiten im Laminat oder Wellen im Bett, dass sie an irgendeiner Stelle tatsächlich durchpasste? Sie konnte oder wollte aber gar nicht zu anderen Stellen robben.

Es gab also keine Alternative. „Du musst aber schnell sein!“, bat ich sie. War froh, dass wir ein IKEA-Bett haben, und kein von Oma geerbtes. Hob und stemmte die eine Ecke nach oben. Habca blieb verschreckt liegen. „Laaauf!“, rief ich, und fragte mich zum dritten Mal, ob das vielleicht doch alles nur ein Traum war. Habca stand sehr vorsichtig auf und ging zur Seite. Schüttelte sich, und rannte in ihr Bett.

„Mach das nicht nochmal…“, flüsterte ich noch, während ich unter meine Decke kroch. Da hüpfte sie zu mir hoch, schleckte mir über die Hand, rollte sich zu meinen Füßen zusammen und seufzte.