In Mensch-Hund-Beziehung, Tod des Hundes

„Your absence has gone through me
Like thread through a needle.
Everything I do is stitched with its color.“
W. S. Merwin, “Separation”

_2015_16

Man muss gar nicht in diese unnütze Debatte einsteigen, ob es nun „nur“ ein Hund war: das schreckliche in diesen ersten Tagen ist das ständige Gefühl von Unvollständigkeit. „Wir“, das sind vier Leute, und „ich“, das sind immer noch drei: ich und meine Mädchen, meine Hunde.

Wenn wir mit Habca unterwegs sind, empfinde ich eine innere Eile: Nomi wartet zuhause, Nomi muss auch noch raus, Nomi ist allein. Wenn ich mit Habca allein auf dem Sofa sitze, frage ich mich zwischendurch: wo liegt die Große? Im Arbeitszimmer? Oder in unserem Bett, wie sie es abends gerne tat, scheinbar überrascht aufblickend, wenn einer von uns ins Zimmer lugte?
Wenn Habca mal wieder nicht recht fressen will, und das Futter neben dem Napf verteilt, lasse ich es liegen: Nomi kommt sicher gleich aufräumen.
Als Friedrich gestern Nomis Spezial-Anti-Krebs-Futter-Plan vom Kühlschrank abhängte, wurde ich wütend: sie kommt doch zurück, dann muss doch alles bereit sein! Sie kommt doch zurück?
Morgens bewahre ich ihr winzige Eckchen von meinem Toast auf, wie ich es immer getan habe. Gleich wird sie aufs Bett springen und sie sich abholen. (Oder wirft F. sie heimlich weg?)

Wir waren bei Ikea, um einen Rahmen zu kaufen, für ein schönes Nomi-Foto, vielleicht ein Halsband, ein paar Erinnerungen. Aber in der Rahmen-Abteilung wurde ich wütend: Ich will sie nicht in einem Rahmen, ich will sie in echt, mit ihren Samtohren, ihrem fragenden Blick, dem Klick-Klack ihrer Schritte im Flur, ihrer Art, Wasser eher zu fressen als zu trinken.

Ich will sie zurück, ich will sie nach Hause holen.

Es fühlt sich eher an, wie als Habca weggelaufen war: ich muss sie suchen, ich muss sie finden! Ich kann doch nicht einfach hier sitzen, schlafen gar, essen, weitermachen – während sie weg ist. 

In den letzten Wochen, als ich nachts aufstand, um nachzuschauen, ob sie noch atmet, und sie blickte mich an – manchmal mit Schmerz in ihrem Blick, aber immer voll Liebe, und versuchte sich, soweit es noch ging, ein wenig seitwärts oder auf den Rücken zu drehen, damit ich sie kraulte – da schon fand ich nur wirklich zur Ruhe, wenn ich zumindest eine Hand auf sie legen konnte, und ihren Atem fühlen. Oder mich neben sie legen, ihre Wärme fühlen, und ihr leise etwas von Wiedergeburt und Hundehimmel erzählen, und dass sie keine Angst zu haben bräuchte.         

Natürlich war immer ich es, die Angst hatte. Es war wie mit dem Teddy, von dem man sagt, er beschütze das Kind, indem er sich vom Kind beschützen lässt. Jetzt bin ich hier, und sie ist fort, und meinen Händen fehlt ihr Fell.