In Hund in Frankfurt, Hunderunde, Tibetterrier

„Frauchen, ich mag nicht spazieren gehen.“
„Aber wieso denn nicht, meine Kleine? Fehlt Dir was?“
„Nein, das nicht.“
„Musst Du denn gar nicht Pipi?“
„Doch, schon… ich machs gleich hier vorne, so, jetzt können wir wieder reingehen.“
„Aber Habca, wir müssen doch spazieren gehen. Ich hab Spielzeug dabei, lass uns zum Main gehen.“
„Ach nein, Frauchen, heute nicht.“
„Ich muss aber was erledigen gehen. Komm weiter.“
„Dann lass uns aber Bus fahren.“ Sie bleibt an der Bushaltestelle stehen.
„Komm weiter, Habca.“
„Willst Du nicht bei Penny was erledigen? Ich warte hier.“ Sie setzt sich hin. „Und dann gehen wir zurück.“
„Nein, Habca, ich muss was in der Apotheke abholen. Komm weiter.“
„Aber nicht durch die Unterführung!“ Sie stemmt die Füßchen in den Boden. Ich ziehe an der Leine. Sie stemmt sich dagegen. Passanten schauen mich vorwurfsvoll an.
„Na los, komm ein Stück.“ Sie kommt bis zu mir, schmiegt sich an mein Bein.
„Bis hier?“
„Nein, die ganze Treppe runter, durch die Unterführung, und die ganze Treppe rauf.“
„Oh“. Sie klettert mit den Vorderbeinen auf meinen Arm und macht sich schwer. „Trägst Du mich?“
„Aber dann sagst Du mir was los ist, okay?“
Ich hebe sie hoch und drücke se an mich. Jetzt lächeln die Entgegenkommenden.
„Gestern war Sonntag“, sagt Habca leise in mein Ohr. „Ich habe mich dreckig gemacht, ich habe mich gestritten und wieder vertragen, ich habe dich vor Aufregung aus den Augen verloren und wieder gefunden, ich habe neue Wege erschnüffelt. Ich habe der Dixie Bescheid gesagt und ich war schwimmen, ich habe die Herde zusammengehalten, und ich habe wahnsinnig viel zu Abend gegessen.“ Ich muss lächeln, weil ich ihre Formulierungen wiedererkenne. „Du warst bei der Hunderunde Rheinmain„, sage ich.
„Ja, und jetzt bin ich müde und muss mich ausruhen.“

So tapseln wir also weiter durch unseren Stadtteil. „Willst Du nicht zur Post gehen?“, fragt Habca, und geht schon durch die Tür. „Nein, zur APOTHEKE“, sage ich nochmal deutlich.
„Sollen wir zu der blöden Tierärztin gehen?“, fragt sie, und bleibt an der Ecke stehen.
„Nein…“
„Dann zur Apotheke“, sagt sie, und marschiert zielstrebig hinein. Ich überlege, ob sie gerne Blindenführhund geworden wäre.
„Und jetzt?“, wir bleiben kurz stehen. Zum Main? Oder zurück? „Gehen wir nach hause“, sage ich schließlich, „aufs Sofa“. Zielstrebig marschiert Habca los. „Willst Du noch ein Stück Kuchen in der Conditorei kaufen?“, fragt sie, und steckt ihren Kopf durch die Eingangstür. „Heute nicht.“
„Gut, dann ab nach Hause.“ Der Hund kann ja doch schnell laufen!
„Willst Du die S-Bahn nehmen?“ Sie schaut sich um und bleibt kurz stehen.
„Nein, nach Hause.“
Sie läuft. Treppe runter, Unterführung, Treppe hoch. Am Penny vorbei, an der Bushaltestelle vorbei. Kurz das eigene Pipi kontrollieren.“Hol die Zeitung raus“, sagt sie am Hauseingang, und wartet. „Schließ die Tür auf“ – sie setzt sich hin. Die Treppe hoch kann sie nur gehen, wenn ich an jedem Absatz „weiter“ sage – nein, das ist keine Erziehung, sondern eine ihrer Marotten. ;-)

Ich schließe die Wohnungstür auf. „Jetzt aber ab aufs Sofa“, ruft Habca, und springt voraus. Zwei Minuten später schläft sie. Und träumt von der Hunderunde.

Mit dem Gefühl tiefer Harmonie setze ich mich neben sie und lese die Zeitung.

Showing 4 comments
  • Roki

    …ein ausgelasteter, glücklicher Hund.
    So geht es mir heute auch.

    der Roki

  • BamBam

    Ja, so versuche ich auch immer mit Frauchen zu sprechen. Aber sie versteht mich nicht. Sie trägt mich einfach niemals. Ich bin ein armer, unverstandener Hund.

    Aber du hast es gut. Sooo eine schöne Geschichte.

    SchnuffWuff
    Das BamBam

  • Indigo

    ohhhhhh neeeee wie lieb :-)

    Bussi Indi

  • Anonymous

    Zum Glück gibt es noch Hunde, die auch mal „Nein“ sagen – und Frauchen, die ihnen zuhören! Was für eine angenehme Lektüre :)

    LG
    Petra

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