In Philosophisches zu Hunden

Klar will man bei wichtigen Dingen im Leben alles richtig machen. Man will den richtigen Mann heiraten, das richtige Studienfach wählen, die richtige Sportart finden. Man will in der Hundeerziehung alles richtig machen. Durch einige der Hundeblogs, die ich lese, geisterte in den letzten Wochen diese Vorstellung: Einen Welpen kaufen, alles richtig machen, und sich dann möglicherweise „zurücklehnen“, vielleicht gar schon nach einem Jahr, weil man ja alles richtig gemacht hat.

Ich habe nicht alles richtig gemacht, und manches Mal werde ich unsanft darauf hingewiesen. Ui, denke ich dann, das war jetzt falsch. Oder, noch schlimmer: Ich hätte doch besser damals, als Habca noch klein war…

Und dann denke ich auch: Eines Tages, wenn ich alle Hundebücher gelesen habe, und Seminare besucht und Erfahrung gesammelt: Dann werde ich mir auch nocheinmal einen Welpen kaufen, und ich werde alles richtig machen und wir werden glücklich durch den Park spazieren, das perfekte Gespann, und die Leute werden sich zuraunen: Die da, die hat alles richtig gemacht!

Moment.

Wozu hat man Philosophie studiert.

Um nicht alles zu glauben, zum Beispiel, auch Sätze die mit „Erwiesenermaßen“ und „Amerikanische Wissenschaftler haben gezeigt“ anfangen nicht. Um manchmal zu fragen „was heißt denn das jetzt eigentlich genau“, und „ist das wirklich erstrebenswert“.

Was heißt also „etwas richtig machen“?

„Richtig“ kann nur etwas sein, dass auch „falsch“ sein kann, und um zwischen richtig und falsch (wahr oder unwahr) zu unterscheiden, braucht man ein Kriterium, das die fragliche Aussage wahr oder falsch macht. Wenn ich zum Beispiel sage „Das Wasser kocht“, dann kann dieser Satz richtig oder falsch sein, und das entscheidet sich genau daran, wie viel Grad das Wasser zum Zeitpunkt meiner Aussage hat. Das ist überprüfbar. Ein einfaches Beispiel. Wenn ich sage „Das Haus da vorne ist rot“ ist natürlich die „Röte“ des Hauses das Kriterium dafür, ob der Satz richtig ist, und das kann schon ein bisschen schwieriger nachzuweisen sein.

Aber wenn ich sage „Mein Verhalten in dieser Situation war richtig“, dann ist das viel schwieriger zu beurteilen. Das liegt daran, dass solche Sätze moralische Sätze sind. „Richtig“ heißt dann eher „gut“ als „wahr“. Kriterien dafür zu finden, was „gut“ ist, ist leider noch viel schwieriger als Kriterien dafür zu finden, was wahr ist. Zwar gibt es ene Reihe von Sätzen, die (fast) alle Menschen übereinstimmend als in diesem Sinne „richtig“ bezeichnen würden. Zum Beispiel „Wenn neben mir ein Kind ins Wasser fällt, das nicht schwimmen kann, und ich kann schwimmen, dann ist es richtig, das Kind zu retten.“ Viele solcher Sätze sind aber schwierig zu beurteilen. Das liegt daran, dass wir moralische Sätze in Kontexten betrachten. Zu diesen Kontexten gehören zum Beispiel die Geschichte (Gewordenheit) der Beteiligten, ihre Fähigkeiten, Nöte, Ängste, ihre biologische Ausstattung, ihr Verhältnis zueinander und zu anderen sowie eine Abwägung der Folgen von Handlungen. Aus diesen Gründen fällt es den meisten Menschen schwer etwas zu sagen wie „Einen anderen Menschen zu töten ist immer und unter allen Umständen falsch“. Zwar vertreten einige Ethiker die Ansicht, dass es etwas die absolute „Gute“ schon gibt, und unser ethisches Bemühen darin bestehen muss, dieses Gute zu erkennen und dann danach zu handeln. Es ist aber auch vorstellbar, dass es vielmehr eine Frage von gemeinsamen Nachdenken, Aushandeln, was eine Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt als „richtig“ versteht.

Was heißt das nun für den Einzelnen, der „das Richtige“ tun will? Eine Freundin schrieb mir vor kurzem eine SMS: „Habe den Arbeitsvertrag unterschrieben. Hoffe, das war die richtige Entscheidung.“
Ich schrieb zurück: „Glückwunsch! An die Richtigkeit von Entscheidungen glaube ich nicht.“

Was soll das heißen?

„Richtig“ kann so eine Entscheidung nur sein, wenn es ein Kriterium gibt, dass erfüllt oder nicht erfüllt. Wenn meine Freundin sagt: „Ich will einen Kuchen backen. Habe Mehl gekauft. War das richtig?“ kann ich sagen: Ja.

Aber ein „gutes Leben“ ist kein Kuchen.

Und auch unsere Beziehungen zu anderen Menschen und zu Hunden sind keine einfachen Kuchen.

Deshalb ist die Frage „Ist diese Art von Hundeerziehung richtig“ so nicht beantwortbar.

Nicht nur, weil sie zu allgemein gestellt ist und wir nie alle Informationen über eine Situation haben (empirische Gründe). Sondern auch, weil die Zukunft offen ist (zumindest glauben wir das noch). Weil im menschlichen Leben der Weg von A nach B selten gerade ist. Vor allem aber, weil wir nicht wissen können, was die Richtigkeit einer Entscheidung im Geflecht menschlichen Miteinanderlebens ausmacht (begrifflicher Grund).

Vielleicht wird meine Freundin in zehn Jahren sagen „Damals den Vertrag zu unterschreiben, das war total richtig, mein Leben ist seitdem super/ furchtbar falsch, ich bin seitdem unglücklich.“ Aber meiner Ansicht nach wäre das ein Fehlschluss, denn die Qualität ihres Lebens ist nicht auf solch eine einzelne Entscheidung zurückzuführen.

Miteinanderleben ist nicht wie Walzertanzen, es gibt keine schlicht richtigen und falschen Schritte.

Miteinanderleben ist vielmehr ein Improvisationstanz: Man überlegt sich eine Richtung, hört eine bestimmte Musik, einen Rhythmus, trifft dann aber rasche, häufig emotionale Entscheidungen, spinnt die angefangene Bewegung weiter, oder bricht sie plötzlich ab. Dreht noch einmal zurück. Ist unzufrieden, fängt neu an. Manchmal merkt man erst im Nachhinein: Das war gut. Das fühlt sich richtig an. Jetzt bin ich im Rhythmus. Manchmal ändert der DJ plötzlich die Musik: Was jetzt? Man steht und lauscht. Oder entscheidet sich ganz schnell, was jetzt passen könnte. Ist verwirrt, oder erleichtert. Zweifelt, ob einem dazu etwas einfallen wird. Stehenbleiben geht nicht. Aber man kann sich vornehmen: Beim nächsten Tempowechsel werde ich mal nur auf dem linken Bein hüpfen.

Noch spannender ist es, gemeinsam frei zu tanzen. Man bewegt sich aufeinander zu und voneinander weg. Man schaut sich beim Anderen was ab. Darauf wäre ich nie gekommen!, denkt man vielleicht, oder: Das sieht blöd aus, das werde ich nicht machen. Man tritt sich manchmal auf den Fuß, und manchmal glaubt man perfekt aufeinandereingehen zu können. Beim Rhythmuswechsel schaut man sich kurz in die Augen: Was wird er machen? Passt das zu dem, was ich vorhabe? Halte ich ihn besser ganz fest, um ihn zu zwingen, auf meinen Tanz einzugehen? Tanzt er besser, wenn ich mich ein Stück wegbewege?

Wir alle wollen gute Tänzer sein, und tatsächlich glaube ich, dass es ein paar Kriterien gibt, die einen guten Tänzer ausmachen. Aber der Improvisationstänzer wird sich beim Beginn der Musik nicht vornehmen: Ich werde alles richtig machen. Er wird nicht sagen können: ich möchte jetzt den richtigen Schritt machen, ich möchte nur richtige Schritte machen. Er wird seinem Mittänzer nicht zurufen: Hey Du, pass mal auf: Ich mache jetzt eine Stunde lang alles richtig, und danach erwarte ich dass es läuft wie geschmiert, klaro?

Seit ich mir das überlegt habe, denke ich seltener: Was habe ich nur alles falsch gemacht mit diesem Hund. Ich denke öfter: Mal gespannt, wann der nächste Rhythmuswechsel kommt/ wir dem nächsten Husky begegnen, wenn die Situation dann so-und-so ist werde ich das-und-das ausprobieren, und davon abgesehen, mein Hund, bist Du ein großartiger Tanzpartner, wollen wir mal wieder was Neues probieren?

 

 

Showing 6 comments
  • Emils Frauchen

    Danke für diesen schönen Text. Nach der Erfahrung mit der Aufzucht von 5 Hunden fällt mir dazu ein: Man macht in der Hundeerziehung immer wieder Fehler. Bei jedem Hund, denn jeder Hund ist anders.
    Mein Gefühl es in der Hundeerziehung heute ‚richtiger‘ zu machen, rührt aus der Erkenntnis früher vieles falsch gemacht zu haben.
    Und zurücklehnen kann man sich entspannt vor allem dann, wenn man seine Ansprüche nach der Persönlichkeit und den Eigenschaften des Hundes richtet.

    Einen Hund völlig nach seinen Wünschen in ein Schema zu pressen, entspricht für mich dem ähnlichen Versuch einen Lebenspartner zu verändern. Ich versuche heute eher die Stärken meines Hundes zu fördern und seine tolerierbaren Schwächen zu akzeptieren.
    Das trägt sehr zur allgemeinen Entspannung bei. Auf beiden Seiten.

  • Dixie's Frauchen

    Hallo? Bin ich hier richtig? Auf jeden Fall tut es gut Deinen Beitrag zu lesen.
    So, und jetzt gehe ich einen richtigen guten Kuchen backen… ;-)

  • Noukis Frauchen

    Ich weiß jetzt, dass es die richtige Entscheidung war, heute abend noch in deinen Blog zu schauen.
    Vielen Dank für diesen guten Beitrag.
    beeindruckte Grüße, Katrin

  • Karina

    Alles richtig kann man nie machen :-), aber man macht bei jedem Hund deutlich weniger Fehler und spart sich immer mehr Umwege, jedenfalls einige Hundehalter. Vieles geht schneller und man weiss, wie man was nicht machen sollte, man lernt schliesslich aus Erfahrung, jedenfalls einige Hundehalter. Und mit zunehmenden Alter wird man weiser und toleranter, sollte man zumindest werden :-)
    Traurig, wenn so mancher Hundehalter nie dazu lernt :-(

    Beispiel gefällig?
    Mein 1. Hund kannte das Fuss gar nicht, aber der konnte ruhig zerren, war ja nicht so gross.
    Bei Merlin und Dojan bekam ich den Leinenruck beigebracht, bis ich endlich merkte, dass es auf Dauer NICHT zum Erfolg führt und schon gar nicht ausserhalb des Hundeplatzes. Also probierte ich rum (gewaltlos) und nach dem ein oder anderen Jahr waren sie soweit, dass sie freudig und aufmerksam bei Fuss gingen, auch unter Ablenkung, auch ausserhalb des Platzes.
    Hoshi konnte es schon anch wenigen Tagen :-), auch wenn er das Kommando noch immer nicht kennt. Bei ihm muss ich nicht jahrelang rumprobieren, weil ich mittlerweile weiss, wie man es richtig (!) macht, entsprechend den Vorgaben der Lernbiologie.
    Ich werde bei ihm, wenn er in die Rüpelphase kommt, nicht mit Leinenaggression zu kämpfen haben, da kann ich mich ruhig zurücklehnen und brauche nur auf dem bereits Erlernten aufzubauen.
    Wir reden noch mal bei deinem 4. oder 5. Welpen darüber :-)))

    VG
    Karina

  • Banjo's Frauchen

    Ich hab jetzt nicht gelesen, was hier schon steht. Aber das hier wird meistens völlig vergessen, wenn es um die Erziehung von Tieren geht, egal welcher Art:

    Ich zitiere dich: „…zum Beispiel die Geschichte (Gewordenheit) der Beteiligten, ihre Fähigkeiten, Nöte, Ängste, ihre biologische Ausstattung,…“

    Es geht bei der Erziehung natürlich in erster Linie darum, dass es dem Tier dabei nicht schlecht geht. Aber ausschlaggebend dafür ist halt das, was der Halter leisten kann. Damit meine ich jetzt nicht nur Intelligenz.

    Beispiel: Ich habe ein großes Problem mit Lärm. Und wenn Banjo anfängt zu bellen, schmerzt mir das in den Ohren. Ich WILL in dem Punkt keinen Weg aushalten müssen, der monatelang dauert, bis mir das erspart bleibt.

    Nun höre ich schon alle sagen: Dann darf man sich keinen Hund holen. Doch, darf man, wenn man das Bellen als Auswahlkriterium mit in Betracht zieht. Dass mir eine „Bellhippe“ vermittelt wurde, wussten aber nicht mal die Vermittler. Denn so, wie er dort lebte, mit 60 Tieren im Rudel, ist mein Hund schweigsam, wie ein Grab.

    Ich bin stolz darauf, dass ich das ausgehalten habe und wir das auf ein für mich erträgliches Maß reduzieren konnten.

    War es richtig oder falsch, DIESEN Hund zu nehmen? War es richtig oder falsch mit ihm daran zu arbeiten? War es richtig oder falsch das nicht mit Watte zu machen?

    Ich habe von diesem Hund gelernt, etwas zu tolerieren, von dem ich dachte, dass ich es niemals ertragen könnte. Er hat durch unsere Arbeit mit dem Halti nach 4 Wochen die innere Ruhe gefunden, die er – wie ich heute vermute – sein Leben lang niemals hatte.

    Was war da nun richtig oder falsch?
    Ich mag einfach keine Ausschließlichkeitsansprüche in der Tiererziehung.

    Ich sage nicht Turid Rugaas schreibt Mist. Ich sage auch nicht G. Bloch hat es absolut drauf. Ich lese einfach beide um zu gucken, was davon ich für mein Tier brauchen kann und was nicht. Das setzt in erster Linie voraus, dass ich MEIN TIER kenne und einschätzen kann. In zweiter Linie setzt es voraus, dass ich in der Lage bin zu beurteilen, ob ich einen Erziehungsweg konsequent durchhalten kann oder nicht und ehrlich sagen kann: Dieser Weg wäre zwar der Bessere, aber ich kann ihn aufgrund meiner charakterlichen oder von mir aus auch geistiger Schwächen nicht konsequent durchziehen.

    Wenn alle Tierhalter in der Lage wären fehlerlos am Tier zu arbeiten, brauchten wir keine Bücherschreiber mehr und keine Trainer irgendwelcher Art. Wie schade wär das doch. Wir hätten niemanden mehr, den wir in Grund un Boden verdammen könnten. ;)

    Miriam, ich danke dir sehr für diesen tollen Beitrag. Er wird uns hoffentlich helfen weiterhin tolerant mit einander umzugehen und niemanden zu verurteilen, weil er mal in seiner Hilflosigkeit einen Schlüsselbund wirft.

    Schönen Sonntag wünsch ich euch noch.

    Banjo’s Frauchen

  • Emils Frauchen

    Einen kleinen Nachtrag hab ich noch.
    1. Man sollte viel öfter auf seinen „Bauch“ hören. Der sagt einem oft sehr sehr früh, dass man etwas richtig oder falsch macht.
    2. Wenn etwas zuverlässig funktioniert, dann kann man doch mit gutem Recht sagen, man hat es richtig gemacht, oder?

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