Die Unterscheidung von „Referenz“ und „Bedeutung“ eines Begriffs, die Frege getroffen hat, war für die Entstehung der analytischen Philosophie furchtbar wichtig. Bis heute lernen Philosophiestudenten diese Unterscheidung am Beispiel des Planeten Venus: Manchmal sieht man abends diesen sehr hellen „Stern“ und nennt ihn „Abendstern“, manchmal sieht man morgens einen besonders hellen Stern den man „Morgenstern“ nennt. „Abendstern“ und „Morgenstern“ sind unterschiedliche Bedeutungen. Sie verweisen (referieren) auf das gleiche: den gleichen Planeten, den gleichen Felsklumpen dadraußen im All. Das ist die Referenz der beiden Begriffe. Man muss dabei gar nicht wissen dass die Referenz dieselbe ist!
Ein anderes Beispiel: „die Tochter von B.“, „die Ehefrau von F.“, „die Schwester von T.“, „die Hundetrainerin über die neulich dieser Artikel in der Zeitung stand“, „die Autorin dieses Blogs“ – diese Ausdrücke haben alle die gleiche Referenz. Sie zeigen auf dieselbe Person (mich). Aber sie bedeuten unterschiedliche Dinge.
Ich denke darüber öfters nach wenn ich beim Spazierengehen mit Habca spreche. Wie die meisten Menschen die mit Hunden sprechen drücke ich öfters den Wunsch aus dass sie eine bestimmte Körperhaltung einnehmen möge. Ich sehe den Großteil davon als eine Art Gymnastik (sie bleibt geistig und körperlich beweglich) und Vokabeltraining (im Bestreben möglichst viele gemeinsame Wörter zu haben), klassischerweise würde man so etwas als „Unterordnung“ bezeichnen. Man kann das wahnsinnig psychologisch aufgeladen sehen, dann wird die Frage ob der Hund eine korrekte „Fuß“-Position einnimmt zum Gradmesser der Beziehung und des „Respekts“ den der Hund für mich habe. Ihr seht schon, davon halte ich nicht so viel. Ich unterrichte solche Übungen lieber als Target-Übungen (siehe zum Beispiel hier).
Als ich jedenfalls vorgestern mit Habca über die Preungesheimer Felder lief, und sie schnüffelte herum, und zwischendurch sagte ich mal „Sitz“ und „Platz“ und „Pfote“ und „Rolle“ und „Kommmalher“ und „geh mal da hoch“ und „hopp“, und dazu verfütterte ich ihr Frühstück und die Sonne schien und wir waren beide seit langem mal wieder ganz entspannt und hatten ziemlich sinnfreien Spaß miteinader –
da habe ich mich mal wieder gefragt welche Bedeutung solche Wörter wohl für Habca haben. Ich glaube manche bedeuten für sie Target-Übungen: „Fuß“ zum Beispiel heißt für sie „drück Deine Schulter seitlich gegen mein Bein und schau dabei zu mir hoch“. Manches sind für sie wahrscheinlich statistische Informationen: Achtung, hier-und-da gibts gleich einen Keks! „Kommmalher“ heißt sowas wie „oh Wahnsinn, Miriams Zeigefinger hat sich wieder in den Futterhebel verwandelt, wenn man dagegen stupst kommt Futter raus, da muss ich hin!“
Das wichtige im Training scheint mir zu sein, dass Mensch und Hund sich über die Referenz der verwendeten Worte einig sind. Die Bedeutung darf unterschiedlich sein, wichtig erscheint mir dass das was das Wort dem Hund bedeutet für ihn etwas schönes, tolles, machbares ist.
Klar, ganz viele Leute die es aber bestimmt eh mittlerweile aufgegeben haben diesen Blog zu lesen springen jetzt auf: „Was, es kann doch nicht alles schön sein für den Hund, der muss doch gehorchen!“ Ja, manchmal muss ein Hund „gehorchen“. Aber auch diesem Wort können wir ja neue Bedeutungen geben! – Und mein Abbruchsignal, mein „Nein“? Ist das etwa auch schön für den Hund? Im Zweifelsfall setze ich ein „Nein“ auch über Auslösung des Meideverhaltens durch. Aber lieber lasse ich es nicht so weit kommen. Lieber möchte ich dass „Nein“ dem Hund bedeutet: „Diese Strategie bringt gar nichts, probier was anderes“. Dann ist übrigens auch sofort klar dass es nicht reicht, wenn der Hund auf die Strasse rennt, zu schreien „Habca neeeeeeeein!!!!!“, sondern dass ich in solchen Fällen gut daran tue die Strategie die Erfolg bringt mit anzusagen: „Habca [=Du bist gemeint], nein [dieses Verhalten bringt nix], hierlang [Richtungswechsel bringt was]“.
Ein Caveat zum Schluss: Lasst Euch nicht von Philosophen mit Begriffen verwirren: Was gemeinhin als Referenz bezeichnet wird (so auch hier) heißt bei Frege Bedeutung, was hier und meistens Bedeutung heißt ist bei ihm der Sinn … die Unterscheidung bleibt gleich, die Übersetzungen variieren.