In Aggression, Agility, Antijagdtraining/ Jagdersatztraining, Clickertraining, Hundeerziehung, Hundeleine, Hundepsychologie, Hundesport, Hundetraining, Mehrhundehaltung, Schipperke, Social Walk, Tibetterrier, Tricks

hundephilosophin1609-4

Es ist das einfachste Lerngesetz und hat sich bestimmt in alle Ecken der Hundewelt herumgesprochen:

Verhalten, das verstärkt wird, wird mehr gezeigt.

Jetzt kommt kurz die Philosophin um die Ecke und fragt: Was ist denn Verhalten? Und was heißt „verstärkt“? Nun, „Verhalten“ ist alles, was ein Lebewesen tut, und nach „Lebewesen“ und „tun“ lassen wir die Philosophin jetzt nicht fragen. „Verstärken“ heißt: einen dem Lebewesen angenehmen Reiz (aka „Belohnung“/ „Verstärker“) einem Verhalten folgen lassen. Wichtig: was ein Verstärker ist, entscheidet der Empfänger. Also ob es angenehm ist. Ob ein als Belohnung  geplanter Reiz tatsächlich ein Verstärker war, das weiß man erst im Nachhinein: er hat genau dann als Verstärker gewirkt, wenn er dazu geführt hat, dass das vorangegangene Verhalten jetzt mehr auftritt – s.o.

(Ja, das ganze ist zirkulär. Mehr zu diesen Problemen kann man bei Viviane Theby, Verstärker verstehen, nachlesen.)

Aber zurück zur Hundewelt und ihren Ecken. Man zerbricht sich als Hundehalterin ja viel den Kopf darüber, was der Hund alles nicht soll (Bellen, Jagen, Anspringen, Müll fressen, an der Leine ziehen…) und warum er denn tut, was er nicht soll. Oder man überlegt sich, was cool wäre, wenn er es könnte, zum Beispiel habe ich eben mit Rike geübt, die Wurfringe von so einem Wurfspiel für Kinder runterzuziehen. Dafür gab es Kekse.

Kekse sind zwar eine beliebte, aber nicht die einzige Belohnung: Es gibt noch Wurst, und Zuwendung, und an-einer-spannenden-Stelle-Schnuppern, und Rennen, und Hetzen, und Frauchen-macht-witzige-Geräusche, und das Gefühl von Erfolg und Selbstwirksamkeit, und tausend Sachen mehr. Wir erinnern uns: was für den Hund eine Belohnung ist, entscheidet der Hund, nicht der Mensch. 

hundephilosophin1609-5

Solche Belohnungen spendiere ich meinem Hund Dutzende am Tag. Und ein weiteres Dutzend spendiert sie sich selbst, oder sie bekommt es von meinen Kunden oder anderen Menschen.

Und das Verhalten, dass sie irgendwann zeigt ist (nichts als) das Resultat dieser Verstärkungs-Geschichte.

Eigentlich total einfach, oder?

Warum läuft Rike also beim Fußlaufen so viel auf den Hinterbeinen? weil ich ihr (zu) oft in dieser Position den Keks angereicht habe, dann muss ich mich nicht so bücken (man wird ja nicht jünger). Warum springt sie meine Kunden an? Weil die sie ständig dafür füttern. Nein, nicht dafür. Aber es ist so schrecklich niedlich, wenn sie sich abstützt! 

Und jetzt passt auf: warum laufen Habca und Rike so viel neben mir her? Na? – Genau.

Warum sitzen sie, wenn sie was von mir wollen? Warum gehen sie (meistens) so schön an der Leine? Warum gehen sie an fressbarem so fröhlich vorbei? Na?

hundephilosophin1609-6 Letzte Woche beim Mantrailing waren die zwei mit, aber nicht dran. Ja, ich weiß, ganz schlimm. Mantrailing ist ja eigentlich einfach, aber in einer Gruppe sein, und dann nicht dran sein. für viele Hunde eine echte Herausforderung. Und als wäre das nicht schlimm genug,  ist ja auch noch jemand anderes dran! Einer Rike könnten da schon mal die Nerven durchgehen. Also kommen sie mit, gucken nett, gehen nett an der Leine, setzen sich hin, wenn ich was erkläre oder wir warten – und dafür werden sie gefüttert! Und das nicht nur ein bisschen! Warten lohnt sich. Nett sein lohnt sich. Es sieht nicht nach einer Riesen-Leistung aus, was sie da machen – aber ich finde es gut, ich finde es wichtig, ich will mehr davon: Also sorge ich dafür, dass es verstärkt wird.

So einfach, oder?

Ja, aber: ein netter, braver Hund ist oft ein unauffälliger Hund. Er latscht neben euch her an der Leine, beide in Gedanken versunken. Wenn aber der Lieblingsfeind um die Ecke kommt, dann wird’s laut, dann fällt er auf, dann tut ihr was! Ne, ganz falsch: das unauffällige Bravsein ist das, wovon wir mehr wollen.

Menschen sagen dann schnell: „Aber das ist doch nichts Besonderes!“ oder „ja, das kann er ja, aber xy nicht!“ oder „echt, soll ich den jetzt so viel füttern?“. Kurz gesagt: ja, wir füttern unsere Hunde, Füttern ist gut, tut es für Sachen, die ihr haben wollt – egal, ob ihr die schwierig findet oder meint, der Hund kann es so schon – man muss es nicht erst so schwierig machen, bis er es nicht mehr kann.

hundephilosophin1609-7 Manchmal finden meine Kunden mich arg positiv (im Alltagssinne des Wortes): Sie haben so einen keifenden Monsterköter an der Leine, und ich sage: „hey, der war gerade ’ne halbe Sekunde echt brav!“ Oder „der hat dich gerade angeguckt, bevor er losgelegt hat!“. Ich sag das nicht, weil ich so verblendet bin, oder das Problem nicht sehe. Ich sag das, weil es diese halben Sekunden sind, die wir verstärken müssen. Das gewünschte, gute, brave, ist doch da! Es ist bei jedem Hund da. Jedem unerwünschten Verhalten geht ein erwünschtes voraus.

Ich schlage vor: nehmt Euch die Hälfte der Tages-Futter-Ration Eures Hundes, stopft sie euch in die Taschen, und verstärkt heute alles, was euch gefällt. „Du liegst still auf dem Sofa? Super!“, „du wartest an der Tür (für eine Sekunde)? – Super!“. Versucht Euch an der Einstellung, das Gute, Gewünschte, Richtige im Verhalten Eures Hundes zu finden. Das macht nicht nur mehr Spaß, das ist auch tatsächlich effektiv.

Du hast diesen Text bis zum Ende gelesen? Das freut mich – ehrlich!