Gestern war ja wieder Funtrailing bei den Dixies angesagt. Sonntagsmorgens mit dem Bus zum Bahnhof und mit dem Zug nach A. fahren, das kann nur eins heißen, und deshalb springt Habca in A. wedelnd aus dem Zug und ruft (zum Glück stumm): „Wo ist der P.?“, und dann stupst sie alle entgegenkommenden Leute an und sagt „Entschuldigung, sind Sie vielleicht P.? Darf ich mal schnuppern?“. Sie dreht sich zu uns zurück und erklärt wichtigtuerisch: „Ich denke, er wartet da, wo er immer wartet! Auf gehts!“ – „Habca, Du hast ein Halsband an, kein Zuggeschirr, und das Trailing hat noch gar nicht angefangen und darum, bitte, zieh nicht so!“ – „Ich hab ihn, ich hab ihn! Da ist er! Seht ihr, ich hab ihn gefunden! Ich bin ein Suchhund! Kauf mir einen Suchhundaufkleber!“
Die Trainer hatten sich gestern ziemlich schwierige Sachen für die Hundis überlegt, aber die Hundis sind ja auch ziemlich gut. ;-)
Erstens hatten wir also brütende Hitze auf den Feldern bestellt, mal gucken, ob die Motivation stimmt. Und wir können nicht klagen, obwohl manche menschlichen Teammitglieder weniger hitzeresistent scheinen, als die dickfelligen Schnüffler (andererseits waren die Zweibeiner auch nicht im Teich vorher und so ein kalter Bauch macht wohl einen ganz schönen Unterschied.)
Zweitens wurde der Dixie eine sehr schwierige, geradezu philosophische Aufgabe gestellt, die in der Philosophiegeschichte auch unter dem Namen „Hund am Scheideweg“ bekannt ist (dazu später einmal mehr): Zwei Funs stehen zur Auswahl, F. und ich, gut fünf Meter voneinander entfernt. Aber welcher ist der richtige? Während mancher Philosoph lange an der Kreuzung gegrübelt und mancher Naturwissenschaftler oder Trailinghund sich beide Alternativen vielleicht einmal näher angeschaut hätte, scheint Dixie einer neuen philosophischen Schule anzugehören, die sich entweder ganz auf ihre Intuition verlässt, oder aber die Existenz einer Kreuzung und eines zweiten Funs gänzlich negiert. Für sie war klar: es kann nur einen Fun geben, nur einen richtigen Weg, nur eine Wahrheit, nur eine Party, und die hieß in diesem Fall „F.“. Mich würdigte sie keines Blickes, und mein eigenes Hündchen, das der erfahrenen Dixie nach erfolgter Feier ganz „privat“ (ohne Leine, ohne Geschirr, ohne Befehl) hinterherlaufen durfte, lustigerweise auch nicht.
Habcas Aufgabe war aus philosophischer Perspektive nicht unbedingt einfacher zu lösen: Der Fun war außer Sicht, um die Ecke und hinter einem Weinbergswetterschutzhäuschen versteckt. Gibt es einen Fun, den man nicht sieht überhaupt? (Und ist der Fun überhaupt wichtig, wenn Dixie-Frauchen einem in der Wartezeit Kekse gibt?) Soll man etwas suchen, das man nicht sieht? Ganz Philosophin, zögerte Habca kurz, und auch ein anderes moralisches Problem sah man durch ihren Geist ziehen: Gibt es Situationen, an denen man an der Leine ziehen darf, oder gar solche, in denen es trotz bestehendem Leinenzugverbot moralisch geboten ist, an der Leine zu ziehen, quasi eine Tyrannenmordsituation? Ist das Leinenzugverbot also eine genuin moralisches oder ein konventionelles Verbot? Und ist es höher einzustufen als die Tatsache, dass ein Schaf meiner Herde abhandengekommen ist? Hat Frauchen lezteres überhaupt bemerkt?
Für alle Hunde, die ähnliche Sorgen quälen: Habca kam zu folgenden Schlüssen:
1. ein Fun, den man nicht sieht, aber riecht, oder von dem man annehmen kann, dass man ihn in Kürze wieder riechen kann, gilt als existent
2. das Gebot, die Herde zusammenzuhalten, steht höher als das grundsätzliche Verbot, an der Leine zu ziehen. (Das Gebot, die Herde zusammenzuhalten, steht übrigens auch höher als das Gebot, so viel Dixiefrauchenkekse zu essen wie man kann.) Allerdings kann ein aktuales Frauchenverbot, jetzt gerade an der Leine zu ziehen, höher stehen als das Gebot, die Herde zusammenzuhalten, es erfordert allerdings einige komplizierte modallogische Schlüsse, dies einzusehen.
Es erscheint der Tibeterin daher zunächst folgendes Vorgehen sinnvoll: Erstmal brav Abwarten und dem Fun hinterherstarren, wenn Frauchen den ersten Schritt macht und irgendwas sagt, was eher anfeuernd als böse klingt, hängt man sich ins Geschirr und galoppiert zum fehlenden Herdenteil, und dann freuen sich alle.
Trotzdem wars komisch, dass F. abends draußen von uns weggegangen ist und wir ihn nicht gesucht haben. „Frauchen, wir müssen F. suchen! Hier fängt die Spur an!“, hat das Hündchen gesagt. „Ne, wir gehen hierlang.“ – „Pah, Du vielleicht, ich bin ein Funtrailinghund, ich bleib hier, genau hier wo wir ihn verloren haben, und da geht die Spur lang, das weiss ich auch schon!“, sprach Habci und legte sich protestierend hin (Tibeter halt).
Ich erklärte ihr was von Halsbändern und Geschirren („egal!“) und Ritualen („kennichnich“) und verschiedenen Leinen und Geruchsartikeln („Brauchichnich!“) und „Search“-sagen, aber so recht hat sie’s noch nicht verstanden, und deshalb bot ich ihr einen Deal an: Lauf noch eine Stunde mit mir und dem B. hier rum wie ein braver Hund, und dafür zeig ich Dir nachher eine Abkürzung zu F., okay?
Ja, und seit wir zurück sind schläft sie, mit kleinen Pinkel- und Futterpausen…
Leave a Comment
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.
Ich fürchte, dass muss ich noch mal lesen, damit mein Seniorenhirn alle Po-Enten findet und keine übersieht.
Du kannst deine Berichte also auch als „Po-Enten-Trailing-Training“ anpreisen.
Aber ein paar hab ich sofort gefunden und richtig laut gegluckst. So brüllend lachen tut ein Senior nicht mehr. :))
Immer noch glucksend
Banjo
Hmm,
eigentlich wollte ich meine dialektischen Überlegungen, die mich als Hund an Scheidewegen, wie sie unter Anderem bei multiplen Fun Problemen entstehen, beschäftigen, geheim halten. In keinem Falle jedoch spielt bei mir der philosophische Nihilismus irgend eine Rolle bei multiplen Fun Problemen, nein vielmehr ist die Fähigkeit zur Reduktion von Komplexität durch instinktives Dominanzverhalten eine wesentliche Eigenschaft, die, wie ich meine, den angehenden Funtrailer auszeichnet. Ursächlich zur Notwendigkeit der Komplexitätsreduktion ist die verwirrende Problematik der Multi-Fun-Situation. Verwirrung kann nur durch Entscheidung gelöst werden, und Entscheidungen machen müde. Durch meine Erkenntnisse kann man beides vermeiden und durch Rückbesinnung auf traditionelle Werte, insbesondere die der Dominanz also, effizient den vielversprechendsten Fun schnellstmöglich erreichen. Ignorieren des Sekundär-Funs also war zwingend die Folge dieser Dialektik und erscheint mir als Hund am natürlichsten.
WuffWedel,
Dixie