In alter Hund, Habca, Hundehalter, Mensch-Hund-Beziehung, Philosophisches zu Hunden, Tibetterrier, Tod des Hundes

Du darfst um deinen Hund trauern.

Ich weiß, du brauchst meine Erlaubnis dazu nicht, aber vielleicht hilft es dir.

Habca ist gestorben, Habca hat mich vierzehn Jahre lang Tag und Nacht begleitet, ich habe sie geliebt und mich von ihr geliebt, ich habe Abenteuer mit ihr bestanden, mich um sie gesorgt, mir den Kopf über sie zerbrochen, viele tausend Euro für sie ausgegeben, sie war selten mal weiter als eine Armlänge von mir entfernt – natürlich trauere ich.

Auch die Forschung weiß, dass der Verlust eines Haustiers genauso schmerzt und die gleichen Trauerprozesse auslöst, wie der Tod eines nahen Verwandten. (vgl. z.B. Tzivian, Lilian & Friger, Michael & Kushnir, Talma. (2017). „Owning and losing a dog: Resource gains and losses and owners’ quality of life“)

Es ist schwer, zu trauern, wir sind darin nicht besonders geübt, und für die Trauer um einen Hund fehlt es an kulturellen Praktiken. Beerdigung, Trauerfeier mit Freunden und Familie, ein Nachruf, ein Grab als Ort der Erinnerung, schwarze Kleidung tragen, Kondolenzbriefe erhalten – all das ist für Tiere zumindest noch ungewöhnlich. Die Trauer um einen Hund ist weniger sichtbar.

In meinem Umfeld würde wohl niemand wagen, so etwas wie „war doch nur ein Hund“ zu sagen, aber auch das kann nach dem Tod eines Hundes passieren. Vielleicht war von außen für manche nicht zu erkennen, dass dein Hund nicht „nur ein Hund“ ist, sondern dass Hunde unsere Partner, Freunde, Babies, Gefährten, Komplizen sind. Für Menschen, die keine Haustiere halten, ist es unter Umständen schlecht nachvollziehbar. Tatsächlich merke auch ich, dass ich es schwieriger finde, die Trauer um eine Maus oder sogar eine Katze nachzuvollziehen, als die um einen Hund – einfach weil mir die persönliche Erfahrung fehlt. Bis vor kurzem konnte ich auch nicht wirklich nachvollziehen, welche neuen Gefühle und Ängste das Muttersein bringt. Aber etwas nicht persönlich nachvollziehen können, heißt nicht, es in Frage zu stellen. Notfalls gibt es ja immer noch die Möglichkeit, einfach mal die Klappe zu halten, zu sehen, dass es einem Freund schlecht geht, und entsprechend zu handeln, ohne die Ursache zu hinterfragen.

Was Trauer mit uns macht

Ich glaube, dass wir (als Gesellschaft) zu wenig über Trauer wissen, zu wenig über Trauer sprechen, uns zu wenig austauschen und zu wenig vorbereiten. Trauer ist unangenehm, und wir wollen damit so wenig wie möglich zu tun haben. Aber wie mit allen Dingen, kann man doch auch mit Trauer besser umgehen, wenn man etwas über sie weiß. Zum Beispiel, was „normale“ Symptome von Trauer sind:

  • Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Schlaflosigkeit
  • Interesselosigkeit, Freudlosigkeit, Lustlosigkeit, Rückzug, bis hin zu Apathie
  • Gefühl von Sinnlosigkeit, Leere
  • Konzentrationsschwierigkeiten, Verwirrtheit, Unruhe
  • allgemeines Angstgefühl und verschiedene konkrete Ängste (z.B. vorm Alleinsein, vor der Dunkelheit)
  • Grübeln, sich immer wieder mit den gleichen Fragen beschäftigen, von etwas nicht loskommen
  • Appettitlosigkeit oder großer Hunger
  • Enge in der Brust, Herzrasen, Engegefühle im Hals, Kurzatmigkeit, allgemeine Schwäche, Atemprobleme
  • Überaktivität, Ruhelosigkeit, Flucht in Beschäftigung – oder Unfähigkeit, überhaupt irgendetwas zu tun, oder viel anfangen und nichts zu Ende bringen
  • den Verstorbenen vermeintlich hören (z.B. Schritte) oder fühlen, bis hin zu Halluzinationen
  • das Gefühl, den Verstorbenen suchen zu müssen
  • Weinen, auch sehr viel – oder auch gar nicht Weinen (können)
  • Schreien, Wut, Aggression
  • Schuldgefühle, Selbstbeschuldigungen
  • Kopfschmerzen, Verspannungen, diverse Schmerzen

 

Das alles gehört zu „normaler“ Trauer. Es hat keinen Krankheitswert. Du bist nicht verrückt, wenn du intensiv trauerst. Auch nicht, wenn du lange trauerst. Es gibt beim Trauern kein richtig und kein falsch. Auch die vielen bekannten Trauermodelle mit der Einteilung in Phasen des Trauerns sind erstens keine Malvorlage und zweitens überholt (vgl. z.B. https://www.betanet.de/trauer.html).

Trauer will gefühlt werden

Ich glaube, dass Trauer gefühlt werden will (wie jedes Gefühl). Dass Trauer gelebt werden will, und ausgedrückt werden.

Weine – wenn dir danach ist. Wenn nicht, dann nicht. Ich schaffe mir manchmal absichtlich Räume oder Zeiten, in denen ich gut weinen kann, und Weinen möglich und akzeptiert ist.

Schau Fotos an – wenn dir danach ist. Ich habe für mich ein kleines Fotobuch gemacht mit Bildern von Habca und mir. Ich habe Fotos aufgestellt. Ich habe meiner Tochter ein Bild von ihr und den Hunden auf Leinwand gemacht, damit sie später sehen kann, wie nah sie mit Habca war, auch wenn sie sich nicht bewusst daran erinnern können wird. Ich habe Stunden damit zugebracht, Habca-Fotos auf meinem Handy anzuschauen, zu sortieren, mit Foto-Apps zu bearbeiten.

Erzähl von deinem Hund, und lass dir erzählen. Mein Mann und ich erinnern uns gerade ganz viel an Erlebnisse mit Habca. Ich habe hier in meinem eigenen Blog gestöbert, der fast ihr ganzes Leben dokumentiert. Freunde haben mir ihre Erinnerungen an Habca geschrieben, das fand ich total schön.

Nimm dir die Zeit. Ich habe mir die Trauer tatsächlich auch in meinen Kalender geschrieben. Ich habe Termine abgesagt und ich arbeite weniger. Ich weiß, dass das eine privilegierte Situation ist. Schon für die Trauer um Menschen bleibt oft nicht genug Zeit. Aber Trauer, die nicht gelebt wird, muss sich andere Wege suchen, und manchmal kann man mehr Wege finden, als man erstmal glaubt.

 

 

Mehr lesen

 

Bücher

zur Trauer um Hunde empfehle ich demnächst gesondert!

 

Weitere Quellen

  • Tzivian, L., Friger, M., Kushnir, T. 2014. The death and owning of the companion dog: Association between resource loss and stress in healthy Israeli women. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research, 10 (3): 223–230.
  • Tzivian, Lilian & Friger, Michael & Kushnir, Talma. (2017). „Owning and losing a dog: Resource gains and losses and owners’ quality of life“
  • Tzivian L., Friger M., Kushnir T. 2011. Grief and bereavement of Israeli dog owners: Exploring short- term stages pre- and post-euthanization of pet dogs. Death studies journal, 38 (2):109–117. DOI:10.1080/07481187.2012.738764
  • Lynn A. Planchon & Donald I. Templer (1996) The Correlates of Grief after Death of Pet,Anthrozoös, 9:2-3, 107-113, DOI: 10.2752/089279396787001491
  • Lorann Stallones (1994) Pet Loss and Mental Health, Anthrozoös, 7:1, 43-54, DOI: 10.2752/089279394787002087
  • Gerald H. Gosse & Michael J. Barnes (1994) Human Grief Resulting from the Death of a Pet,Anthrozoös, 7:2, 103-112, DOI: 10.2752/089279394787001970
  • Shireen S. Rajaram, Thomas F. Garrity, Lorann F. Stallones & Martin B. Marx (1993)Bereavement—Loss of a Pet And Loss of a Human, Anthrozoös, 6:1, 8-16, DOI: 10.2752/089279393787002349
  • Marilyn K. Gerwolls & Susan M. Labott (1994) Adjustment to the Death of a Companion Animal,Anthrozoös, 7:3, 172-187, DOI: 10.2752/089279394787001826