Ich gehöre zu den mittlerweile zahlreichen Hundetrainerinnen, Hundeverhaltenstherapeutinnen und Hundepsychologinnen, die von sich behaupten, „gewaltfrei“ zu arbeiten. Ich schreibe das nicht nur auf meiner Startseite, weil es nett klingt, und Kunden anlocken kann, sondern weil es mir tatsächlich wichtig ist.
Ich interessiere mich seit Jahren auch für die sogenannte „Gewaltfreie Kommunikation“ (GfK) nach Marshall Rosenberg. Und durch einige Kontakte auch für Gewalt in der Kinder-Erziehung, oder, krasser formuliert: die These, dass Erziehung Gewalt ist, und man deshalb nicht erziehen sollte.
Und – auch das teile ich mit vielen – ich finde vieles am Buddhismus faszinierend, ich meditiere, ich versuche, achtsamer zu sein. Als ich vor sechs Jahren meine Fortbildung zum Behaviour-Adjustment-Trainer bei Grisha Stewart machte, faszinierte mich, dass ihre Hundeschule und ihr Buch über Hunde-Grunderziehung „Ahimsa Dog Training“ heißen – ist „ahimsa“ doch das Sanskrit-Wort für Gewaltlosigkeit.
All das sind verschiedene Startpunkte, um über „Gewaltfreiheit“ nachzudenken.
Ich frage mich: meinen sie alle dasselbe? Denn all die Hundetrainer, die von sich sagen, sie arbeiteten „gewaltfrei“, scheinen schonmal nicht dasselbe zu meinen.
Ich möchte euch heute etwas darüber erzählen, was ich unter gewaltfreiem Umgang mit Menschen und Hunden verstehe.
1. Gewaltfrei mit Hunden umzugehen heißt, dem Worte nach, zuallererst ein „frei von“: ein Umgang ohne Schmerzzufügung, ohne Leinenruckerei, ohne Schubsen, Treten, Zischen, ohne Strom und Stachel, ohne Schreien, Bedrängen, „Reinlaufen“, Festhalten, Zwingen, ohne mit Sachen werfen, ohne gezieltes Erschrecken, ohne Wasserspritzen, Hungern lassen. Ich wünschte, ich müsste das alles nicht Aufzählen, ich wünschte, es wäre selbstverständlich. Ist es aber nicht. Auch nicht unter den Hundetrainern, auf deren Webseite ihr „gewaltfrei“ lest.
Aber „gewaltfrei“ ist für mich mehr als das.
2. Bedürfnisse sind wichtig. Jeder hat Bedürfnisse (Menschen wie Tiere, Kinder wie Erwachsene), und jedem ist es wichtig, dass seine Bedürfnisse gesehen und oft auch erfüllt werden. Bedürfnisse widersprechen sich manchmal, aber es ist nicht prinzipiell das Bedürfnis des einen wichtiger als das des anderen. Deshalb muss man über Bedürfnisse sprechen (wer sprechen kann), verhandeln. Wenn Bedürfnisse nicht gesehen werden oder als nicht wichtig erachtet werden, tut das weh.
3. Sprache enthält viel öfter Gewalt, als uns bewusst ist. Und zwar dann, wenn Worte und Bezeichnungen verurteilen, beurteilen, Schuld zuschreiben. Ich persönlich mag es nicht, zu sagen, ein Hund „pöbele“, sei eine „Zicke“, ich mag es nichtmals zu sagen, ein Hund sei „aggressiv“ oder „trickse den Menschen aus“. Mir ist es wichtig, dass wir alle lernen, erstmal zu beschreiben, was wir denn sehen. Und dass wir immer im Hinterkopf behalten, dass wir Verhalten interpretieren, und dass wir mit unserer Interpretation werten. Je nachdem, was und wie wir interpretieren, behandeln wir unser Gegenüber anders. Und das ist nicht fair, denn die Interpretation findet in meinem Kopf statt.
4. Gewaltfrei mit Menschen und Hunden umzugehen heißt für mich, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Für meine Bedürfnisse und Gefühle. Denn der andere ist weder für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich, noch dafür, dass ich mich gut fühle. Ich bin selbst für mich verantwortlich, und der andere darf er selbst sein. Oft haben wir anderen gegenüber eine „hidden agenda“, wir erwarten oder erhoffen etwas, das sie uns nicht geben können oder wollen. Wir wünschen uns, dass ein Mensch oder auch ein Hund uns glücklich machen. Es ist schön, wenn jemand zu unserem Glücklichsein beiträgt, aber es ist niemandes Aufgabe. Es ist auch nicht die Aufgabe meines Hundes, mich wie einen guten Trainer aussehen zu lassen, oder mir zu beweisen, wie liebenswert ich bin. Mein Hund hat seine eigenen Bedürfnisse, und das ist sein gutes Recht. Andere Menschen sind erst recht nicht für die Erfüllung meiner Bedürfnisse verantwortlich. Was nicht heißt, dass ich sie nicht bitten kann, etwas für mich zu tun.
5. Unsere Hunde haben sich dieses Leben nicht ausgesucht. Wir haben es ausgesucht, und wir können es gestalten. Unsere Hunde haben kaum Möglichkeit, etwas zu ändern. Daraus folgt für mich eine Fürsorgepflicht gegenüber unseren Hunden. Der erste Schritt ist dabei, dass wir versuchen, sie zu sehen. Nicht nur unsere Geschichten zu sehen, unsere Bedürfnisse, unser Bild vom Hund. Sondern den Hund, der da ist, hier, heute, jetzt. Was braucht der, was will der? Im Gegensatz zu einem anderen Erwachsenen reicht es nicht, ihn im Zweifelsfall in Ruhe zu lassen: er braucht dich, ein menschliches Gegenüber. Gewaltfrei mit Hunden umgehen heißt für mich nicht, Hunde allein zu lassen. Hunden nicht zu sagen, wie sie hier leben können, oder sie ewig raten zu lassen. Sie ins offene Messer rennen lassen, auch wenn das offene Messer nur ist, dass am Ende alle von ihnen genervt sind. Oder 15 Jahre am Halsband ziehen. Oder jeden Tag vor Frust schreien müssen, wenn man Wildspuren riecht und nicht hinterher darf. Oder hinterher dürfen und erschossen werden. – Nein, Gewaltfreiheit heißt nicht Machdochwasduwillst.
„Die Vision von GFK ist, dass es möglich ist, eine Welt zu schaffen, in der die Bedürfnisse aller gehört und respektiert werden und wir Lösungen finden, um sie zu erfüllen, die niemandem und nichts schaden. Dahinter steht die Überzeugung, dass genug für alle da ist.„, schreibt Edith Sauerbier, und das gefällt mir sehr.
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http://giraffeundfisch.de/warum-gfk/
https://www.easy-dogs.net/home/blog/training/gastautor/heike_hillebrand/erziehung_hillebrand.html
http://markertraining.de/marchenstunde-wir-arbeiten-gewaltfrei/
http://www.gewaltfrei-online.de
https://www.gewaltfreies-hundetraining.ch/positionspapier/