Ich habe ja hier in letzter Zeit viel über Rikes „Sozialisierung“ geschrieben: kurz gesagt ist es für einen Welpen zwischen der etwa 8. und etwa 16. Woche besonders leicht und auch besonders wichtig, Neues Kennenzulernen. Er hat weniger Angst. Natürlich hört das Lernen nicht mit der 16. Woche auf, und es ist sowohl möglich, ältere Hunde zu „sozialisieren“ als auch falsch, einen Hund nur bis zur 16. Woche zu sozialisieren und dann aufzuhören. Ebenso ist es falsch, Hunde- und Menschenkontakt in dieser Zeit „um jeden Preis“ zu fördern, wie z.B. dieser Artikel thematisiert: „Well socialized? No, well traumatized„.
Streng genommen sollte man den Begriff „Sozialisierung“ nur auf das Kennenlernen von sozialen Zusammenhängen beziehen, also die Kommunikation mit Hunden und Menschen. Aber ich finde es völlig in Ordnung, wenn man all das andere, was ein kleiner Hund kennen lernen soll, hier mit in einen Topf wirft, anstatt es als „Gewöhnung“ einzeln aufzuführen.
Von Querdia kann man gut Hundesprache lernen
Im Prinzip geht es darum, dem Hundebaby alles zu zeigen, was später in seinem Leben vorkommen kann. Insofern ist die Warnung, den kleinen Hund aber nicht zu überfordern, durchaus berechtigt. Da kann es sinnvoller sein, weniger zu machen, dafür aber das Grundvertrauen des Welpen in die Welt mehr zu stärken. Wenn also zum Beispiel alles andere gut geht, wird einen jungen Hund, der als Welpe nie einen Rollstuhl gesehen hat, das später nicht aus der Bahn werfen. Wenn aber vieles andere schon nicht stimmt, kann es sein, dass der Hund anfängt, auf Sachen, die er nicht kennen gelernt hat, komisch oder unangenehm zu reagieren. Er wird „reaktiv“. Er bellt z.B. Männer mit Kopfbedeckungen an, Menschen anderer Hautfarben, Hunde mit langen Haaren im Gesicht, Menschen die „komisch“ gehen, Plastiktüten die im Wind flattern.
Da man bei seinem ersten Hundebaby gar nicht unbedingt weiß, was der Hund denn alles kennen sollte, habe ich hier eine Liste für Euch. Meine Bitte ist aber, das nicht sklavisch zu übernehmen, sondern zu überlegen, was für Euch und Euer Leben Sinn macht, und wie viel ihr Eurem Hund zumuten könnt. Es ist wohl kaum sinnvoll, montags in den Kindergarten, dienstags in den Zoo, mittwochs in die Welpenstunde und Donnerstags ins Einkaufszentrum zu gehen. Das Dilemma habe ich schon einmal beschrieben: acht Wochen Sozialisierungsphase sind nicht viel, man will viel unterbringen, den Hund aber nicht überfordern, sondern im Gegenteil, viel ruhen lassen.
Es reicht auch nicht, alles abzuhaken: es geht ja darum, positive Erfahrungen zu machen. Erst vor kurzem sagte mir die Besitzerin eines kleinen reaktiven Hundes, der Hunde und Kinder verbellt und in allen möglichen Situationen furchtbar unter Stress gerät: „Aber wir haben doch alles gemacht in den ersten Wochen, wir sind Bahn gefahren, haben ihn überall mitgenommen, haben ihn jeden Hund begrüßen lassen!“ „Und wie fand er das?“, habe ich nachgefragt, und die Antwort war: „Ja, furchtbar! Nichtmal Futter wollte er in der Bahn nehmen!“. Das ist nicht Sinn der Sache, sondern eher wieder ein Fall von „well traumatized“ statt „well socialized“.
Nach diesen mahnenden Vorbemerkungen hier also eine als Anregung zu verstehende Liste:
- Ohren untersuchen
- Mund und Zahnfleisch untersuchen
- Füße anfassen
- die Zehennägel schneiden/ feilen
- Haut kneifen
- Nase berühren
- Welpen auf dem Rücken in den Armen wiegen
- im Schoß halten
- Welpen auf den Rücken legen und Bauch kraulen
- Welpen umarmen
- ins Halsband fassen
- Körper mit einem Handtuch abrubbeln
- Halsband an- und ausziehen
- Geschirr an- und ausziehen
Menschen
- Ian Dunbar (Before and After Getting Your Puppy) gibt als Faustregel, der Welpe sollte etwa einhundert verschiedene Menschen treffen, bevor er drei Monate (12W) alt ist – das macht drei fremde Menschen pro Tag!
- Frauen
- Menschen vieler Ethnien
- große Männer
- Männer mit tiefen Stimmen
- Männer mit Bärten
- Alte Menschen
- Menschen mit Hüten, Helmen
- Menschen mit Stiefeln
- Menschen mit Kapuzenpullis
- Menschen mit Rucksäcken
- Menschen mit Sonnenbrillen
- Menschen mit Stöcken, Wanderstöcken
- Menschen mit Rollatoren
- Menschen im Rollstuhl
- Jugendliche
- Kinder stehend sowie spielend
- Kleinkinder (laufend und quietschend)
- Kleinkinder (krabbeln)
- Menschen die vorbeirennen
- Bedürftige oder Obdachlose
- erwachsene Hunde, die gut spielen
- ein erwachsener Hund, der Welpen angemessen zurechtweist wenn sie ihm zu nah kommen
- Welpen, die gut spielen und nicht zu aufgeregt werden
- Katzen
- Pferde
- Schafe
- Kühe
- Kleintiere im Käfig, z.B. Meerschweinchen, Kaninchen, Mäuse
- jegliche andere Tiere, die Sie haben
- Beton
- rutschige Böden wie Hartholz, Linoleum oder Marmor
- Metall- und Gitteroberflächen wie Schachtabdeckungen, manche Brücken
- Waagen in der Tierklinik
- wackelige Oberflächen wie ein Brett, das auf einem Buch liegt, oder ein ungleichmäßig dicker Baumstamm
- oder Ast, ein Wackelbrett
- Stufen und Treppen
- nasses Gras
- Schlamm
- Eis, Frost, Schnee, sofern möglich
Geräusche – notfalls von CD
- Donner
- Feuerwerk
- Babys und Kinder
- Alarm
- Hundebellen
- Türklingeln
- Verkehr (wie in der Innenstadt einer Stadt)
- Bohrer
- Staubsauger
- Sirenen
- Bahnhofsgeräusche
- Skateboards
- Rollerblades
- Mülltonnen die bewegt werden
- Einkaufswagen
- Kinderwagen
- Rollstühle
- Rollatoren
- Fahrräder
- Autos
- Busse
- Motorräder
- Regionalzüge
- ICE
- Straßenbahn
- S-Bahn
- Geschirr
- Decken oder Teppiche die ausgeschüttelt werden
- Besen
- Luftballons
- Sonnenschirme
- Plastiktüten im Wind
- Verkehrsschilder
- Mülltonnen im Haus
- große Kunststoff-Müllbeutel
- Vororte
- Wohnstraßen der Stadt
- Innenstadt, Einkaufsstraßen
- Parkplatz von Einkaufszentrum
- Gebäude von innen
- hundefreundliche Ereignis wie ein Agilityturnier, Fest
- verschiedene Hundeschulen, Hundetrainingsveranstaltungen