In alter Hund, Antijagdtraining/ Jagdersatztraining, Assistenzhund, Balou, Habca, Hundephilosophin, Hunderassen, Tibetterrier, Tod des Hundes

Ja. 2020 war schwierig. Hatten wir uns anders vorgestellt.

Davon soll jetzt und hier nicht die Rede sein, sondern: ich will euch etwas davon erzählen, was mich 2020 inspiriert und bereichert hat.

1. Der Tod – und Habca. Ich habe mich Jahre auf den Abschied von Habca vorbereitet, und doch hatte ich keine Vorstellung davon, wie das Leben danach weiter gehen könnte. Am 7. Februar 2020 ist sie gestorben. Zehn Jahre vorher habe ich geschrieben:

„Im vollen Bewusstsein dass die Trauer um sie unerträglich sein wird, gebe ich ihr alles an Liebe und Hingabe was ich habe. Mit Demut reiche ich diesem kleinen Hund mein ganzes Herz, und weiß, sie wird es zerreissen. Und vertraue darauf, dass es heilen wird, und glücklich sein, so sehr geliebt zu haben und so sehr geliebt worden zu sein.“ 

Ich habe mich intensiv mit dem Tod und dem Sterben von Hunden und Menschen auseinandergesetzt, und bei aller Traurigkeit, Wut, Verzweiflung, ist auch das bereichernd. Auf meinen Artikel auf dem Easy Dogs-Blog „Kann und soll man sich auf den Tod des Hundes vorbereiten?“ habe ich so viel berührende Resonanz bekommen. An manchen Tagen ist Habcas Abwesenheit noch immer unerträglich. An anderen kann ich tatsächlich das Glück spüren, „so sehr geliebt zu haben und so sehr geliebt worden zu sein“. 

2. Arbeitsrassen – und Balou. Wenn sich Interessenten mit einem Hund „vom Jäger“ oder „vom Schäfer“ und Verhaltensproblemen bei mir melden, denke ich ja schon manchmal „auweia“. Klar haben sehr viele Hunderassen eine Vergangenheit als Arbeits-Tiere. Wenn aber die aktuelle genetische Auslese auch noch darauf ausgerichtet ist, einen gut funktionierenden Arbeitshund zu erzeugen (statt: einen Familienhund), ist das nochmal was anderes. Aus so einem Wurf arbeitender Elterntiere werden häufig die scheinbar am wenigsten für den Job geeigneten Welpen aussortiert und an Familien verkauft. Ich sage nicht, dass das schief gehen muss. Ich glaube aber, dass es in so einem Fall noch wichtiger ist als sonst, sich damit zu beschäftigen, wozu dieser Hund gezüchtet wurde. Und zwar nicht nur „jagen“ oder „hüten“, sondern: wen/ was jagen/ hüten, wie, wie sieht das aus, woran orientiert sich der Hund da, was sind Auslöser, Signale, was ist solchen Hunden wichtig, wie leben sie, worauf achten sie…

Ein Startpunkt kann zum Beispiel die Reihe „Rassebeschreibung ungeschönt“ auf Hey-Fiffi sein. Auch auf Easy Dogs finden sich ein paar hilfreiche Rassebeschreibungen. Auf YouTube kann man sich Hunderassen bei ihrer Arbeit anschauen.

Konkret gab es da diesen Hund, ein Mix aus Australian Shepherd, Border Collie und Altdeutschem Hütehund (Tiger). Wenn man z.B. die Rassebeschreibungen vom Australian Shepherd hier,  von Hüte- und Hirtenhunden hier durchliest, kommt man rasch darauf, was für Probleme hier auftauchen können: Lautfreudigkeit zum Beispiel, schnelle Reaktion auf schnelle Bewegungen, Jagen, Umrunden von z.B. laufenden Kindern, evtl. mit Kneifen. Schwierigkeiten, zur Ruhe zu finden, Geräuschempfindlichkeit, emotionale Sensibilität bis Instabilität. Klingt schlimm? Ja, aber bedenkt, dass ich Hundetrainerin bin. Ich sah einen Hund, der nicht anlagegemäß gefordert und gebremst wurde. Der überreizt war vom Stadtleben. Der auf den Hauch einer Bewegung reagierte, der jede Aufgabenstellung sofort mitmachte, bei Druck zusammenbrach oder wegging. Ein Hund, der richtig gutes Training brauchte wie andere die Luft zum Atmen. Und dieser Hund suchte ein neues Zuhause. Und: er lebte mit einem Kind im Alter unserer Tochter, und war mit diesem gelassen und hundertprozentig verlässlich. Und: Rike fand ihn ok.

Also zog Balou viel früher bei uns ein, als wir an einen neuen Hund denken wollten.

Ja, es ist ein bisschen verrückt, allein zuhause mit einem anderthalbjährigen Kind, einem anspruchsvollen Schippi und einer Selbstständigkeit, so einen Hund zu adoptieren. Please don’t try this at home. Und: wenn ich mit Balou trainiere, habe ich das Gefühl, einen Ferrari zu fahren. Er ist in vieler Hinsicht noch krasser als Rike. Er trailt wie ein junger Gott. Er macht Agility, Hoopers, Dummytraining… er ist der Hund, den ich brauche, um schnell mal alles mögliche auszuprobieren. Was schwer für ihn ist: der Alltag. Vom Spaziergang nach hause kommen zum Bespiel, und zur Ruhe finden. Sich langweilen. Der Staubsauger. Menschen, die sich umarmen, aufgeregt sind, „Achtungfertiglos“ sagen.

Ich habe mich schon viel mit Jagdverhalten, Antijagdtraining und Jagdersatztraining beschäftigt. In Hüteverhalten habe ich mich jetzt eingearbeitet. Man denkt da ja irgendwie immer an den Border Collie. Deutsche und Altdeutsche Schäferhunde arbeiten ganz anders. Australian Shepherds nochmal anders. Auf YouTube habe ich eine Playlist zum Thema Hüten, weil ich es hilfreich finde, einiges wirklich mal gesehen zu haben, z.B. den Outrun, das Furche gehen usw. . Schaut gern mal rein.

Ich brauche dieses Verständnis für den Hund, um mit ihm an Alternativen zu arbeiten, die für ihn bedürfnisbefriedigend sind. Sehr geholfen hat mir auch das Webinar „Der Arbeits- und Gebrauchshund in der Familie“ von Ute Blaschke-Berthold.

3. Assistenzhunde – und Janosch. Bleiben wir beim Lernen von Hunden in meinem Leben. :-) Janosch ist ein Tibetterrier, den ich zum Assistenzhund für eine Autistin ausbilde, bzw. leite ich sie in der Selbstausbildung an. Was ich da gelernt habe? Dass das Feld der Assistenzhundeausbildung noch ungemütlicher ist, als ich es eingeschätzt habe – deshalb lest ihr hier auf dem Blog fast nix von ihm, nach meinem ersten Post dazu, „Wenn ich groß bin, werde ich Assistenzhund„, kamen nämlich so viele so blöde Kommentare, die die Assistenznehmerin belasten, dass ich da gar keine Lust mehr zu hatte (auf meinem Instagram-Kanal taucht er aber immer mal auf). Dass es spannend ist, so viel mit einem Hund zu arbeiten, der aber nicht meiner ist und nicht bei mir lebt. Janosch und ich haben eine ganz enge Beziehung – trotzdem fühlt es sich ganz anders an als mit meinen Hunden. Auf wichtige Teile seines Lebens habe ich (fast) keinen Einfluss. Zugleich fühle ich mich verantwortlich für seine Entwicklung. Assistenzhunde sind ja quasi die modernen Arbeits- und Gebrauchshunde. Hier ist ein ständiges Abwägen: einerseits soll ein Hund mit Sonderrechten (z.B. geht er mit zur Arbeit, mit zum Arzt und zum Einkaufen) in erster Linie nicht auffallen. Andererseits ist es mir (und Janoschs Halterin mindestens genauso) wichtig, dass jeder Hund ein gutes Leben hat, und gerade dieser Anspruch des Nicht-Auffallen nervt mich oft gewaltig. Ich glaube, dass wir bei Janosch, der jetzt gut ein Jahr ist, diesen Balance-Akt gut schaffen. Dass es ihm gut geht, und er anfängt gut zuarbeiten. Jetzt sind wir soweit, dass ich gern ganz viel mit ihm in Geschäfte und Krankenhäuser gehen würde – und vertagen das immer wieder wegen Corona.

Zugleich habe ich dieses Jahr einen Hund für ein autistisches Kind gesucht, den ich mit der Familie ausbilden kann. Ich hätte gern einen Tierschutzhund gefunden – und bin da von Tierschützern echt angefeindet worden. Nach wirklich langer, intensiver Suche und Vorbereitung der Familie wird es jetzt ein Welpe… ich bin gespannt und freue mich auf das neue Projekt.

 

Drei weitere Punkte folgen in Teil zwei dieses Posts!