Ich habe ja drei „Claims“ oder Schlagworte zu meiner Art, mit Hunden und Menschen zu arbeiten: „gewaltfrei“, „wissenschaftlich fundiert“, und „beziehungsorientiert“. Zu den beiden ersten habe ich vor einiger Zeit was geschrieben:
Was ist nun mit der Beziehung zwischen Mensch und Hund?
Hundebesitzern ist die Beziehung zu ihrem Hund meistens das wichtigste – und ich denke, das ist auch gut so. Schließlich haben wir alle uns irgendwann mal einen Hund gekauft, weil wir eine bestimmte Vorstellung von einem Leben mit Hund hatten, und von der Beziehung, die wir mit ihm führen würden. Wie er uns durch den Alltag begleitet. Wie wir Kuscheln und Spazierengehen und vielleicht ein bisschen Sport machen. Wir haben Hunde nicht, damit sie für uns arbeiten, damit sie Karren ziehen und das Haus bewachen und das Abendessen jagen.
Wir haben Hunde, weil wir Hunde lieben, und von Hunden geliebt werden wollen.
Und Hundetrainer? Ich fürchte, Hundetrainer vergessen das manchmal ganz gern. Die Hundetrainer, die viel und gern von Beziehung reden, sind leider die altmodischen, noch in Dominanzstrukturen denkenden. Die erklären Trainingsprobleme und Verhaltensprobleme aller Art sofort zu „Beziehungsproblemen“. Und wenn die Beziehung erstmal geklärt ist, läuft auch der Rest.
Damit tut man Hunden (und Menschen) furchtbar Unrecht. Zwar kann es funktionieren, einen Hund so zu unterdrücken, dass er vor Schreck und Sorge lieber unauffällig neben uns her läuft – und das kann man für „Leinenführigkeit“ halten. Zum Beispiel. Aber das ist ja dann wieder nicht die Beziehung, die wir eigentlich wollten! Ich glaube nicht, dass irgendein Hundebesitzer zum Zeitpunkt seiner ersten Hundeadoption „dominant“ sein wollte, und Spaß daran hat, als erster durch die Tür zu gehen, immer als erster zu essen und sich tagtäglich solche kleinen Machtgeplänkel mit einem Hund zu liefern. Ich glaube, dass das Fantasien von Hundetrainern sind. Und dass Menschen das mitmachen, weil sie glauben, es müsste so sein.
In dieser Situation finde ich es oft hilfreich, erstmal was über Training zu lernen. Was ist Training überhaupt? Wie funktioniert Tiertraining? Wie lernen Tiere? Wie nutze ich das so, dass der Hund am Ende das gelernt hat, was ich wollte? Wie ändere ich also mein Verhalten, damit ein Hund verstehen kann, was ich gerade von ihm will?
Was viele Menschen meiner Erfahrung nach erstmal irritiert: ich kann sehr viel über Training wissen, und ein sehr guter Trainer sein, ohne einmal über meine Beziehung zu dem trainierten Tier nachzudenken. Ja, sogar ohne eine über eine „Arbeitsbeziehung“ hinausgehende, tiefgehende Beziehung zu diesem Tier zu haben!
(Mit Training meine ich hier: spezifisches Verhalten auf- oder abbauen.)
Wenn beziehungs-interessierte Hundebesitzer lernen, wie sie ihren Hund gut trainieren können, und sich über ihre Erfolge freuen, und der Hund ein immer angenehmerer Alltagsbegleiter wird, macht das natürlich auch was mit der Beziehung zum Hund. Aber das ist eher eine Art „Nebenwirkung“ von Training, als ein geplanter Effekt.
Heißt das, dass positiv arbeitende Trainer keine Ahnung von der Mensch-Hund-Beziehung haben? Nein, das würde ich nicht sagen: ich denke, zumindest die meisten arbeiten ja positiv aus Respekt vor dem Lebewesen Hund, und aus Liebe zu ihm.
Ich würde sagen: gutes, effizientes Training mit positiver Verstärkung bedarf erstmal nicht einer tiefer gehenden Beziehung zwischen Mensch und Hund. Trotzdem passiert da ganz viel zwischen Hund und Mensch!
Und: sobald wir im „echten Leben“ mit unserem Hund stehen – nicht im laborähnlichen Kontext von Training, an den ich oben gedacht habe – spielt die Beziehung zwischen Hund und Mensch eine gewaltige Rolle. Keiner von uns ist ja in erster Linie, Vollzeit, Hundetrainer – weil wir ja auch Hundemamas sind, und Menschen mit Gefühlen, Sorgen, Zweifeln, Menschenproblemen, und Ehefrau, Freundin, Menschenmutter, Tochter, Nachbarin. Wir können selten so mit dem Hund trainieren, dass all das keine Rolle spielt. (Vielleicht wollen wir es auch gar nicht.) Wenn wir Leinenbegegnungen im Dorf trainieren, die Nachbarn schon hinter den Gardinen stehen und wir an die Ecke kommen, wo unser alter, längst verstorbener Hund mal angegriffen wurde – dann wird der Hund natürlich einen großen Teil seines äußerst sozialen Gehirns erstmal darauf verwenden, rauszufinden, warum Mama jetzt so komisch ist!
Tierarzttraining kann in Labor-Lern-Situation super klappen – wenn Frauchen aber nach der unsensiblesten Krebsdiagnose der Welt bei Tierarzt Schweißausbrüche kriegt, wird das Hündchen kaum cool bleiben.
Wenn Hundetrainer ihr Training damit beginnen, den Hundebesitzer bloßzustellen, niederzumachen und zu beschämen, und sich dann die Leinenführigkeit angucken wollen – kann das Ergebnis, naja, sagen wir, sehr situativ zu bewerten sein.
Wenn der Hund im Wald weg ist, den Rehen hinterher, und die Bundesstraße in Hörweite, denken wenige Menschen über gutes Training nach. Und wenn der Hund regelmäßig jagen geht, setzen sich die meisten Menschen erstmal mit Gedanken auseinander wie: Bin ich es nicht wert, dass er bei mir bleibt? Hat er mich nicht lieb? Bin ich nicht toller als die Rehe? – So sind Menschen, und das ist total ok so!
Training als Aufbau von neuem Verhalten ist eine ziemlich technische, handwerkliche Angelegenheit. Ich finde Training unglaublich wichtig, weil wir nur so wissen, wie wir einem Hund effizient, mindestens schonend und im besten Fall mit Spaß beibringen, die Dinge zu tun, von denen wir glauben, er müsste sie tun.
Aber Training ist bei weitem nicht alles. Unsere Beziehung zu unseren Hunden ist derart emotionsbeladen, unsere emotionale Erwartung an Hunde so groß, und die emotionalen, sozialen Fähigkeiten von Hunden so hoch, dass wir auch lernen müssen, damit umzugehen. Unsere Hunde lesen uns den ganzen Tag. Sie lernen Emotionen immer mit. Und: Wir haben unsere Hunde nicht in erster Linie, damit sie funktionieren. Wir haben sie wegen der Möglichkeit zu emotionaler Nähe zwischen Hunden und Menschen – wie es sie zwischen keinen zwei anderen Arten gibt.
Es ist daher richtig und wichtig, dass Hundebesitzer ihre Fragen, Sorgen und Probleme mit der Beziehung zu ihrem Hund zu ihrem Hundetrainer tragen. Ich glaube, dass wir gewaltfreien („positiv arbeitenden“) Trainer da etwas aufzuholen haben: es ist nicht so, dass wir nichts zu Beziehung zu sagen hätten. Wir halten nur Beziehung für etwas anderes als Training.
Weiterlesen?
- Emily Larlham, „Tone of Voice Matters Not Just for Your Dog, but Also for Your Own Mood“
- Johanna von Isalohr, „Der strapazierte Begriff Mensch-Hund-Beziehung“
- Miriam Arndt-Gabriel, „Beziehungskisten: So finden auch ungleiche Paare zusammen“, in Dog’s Avenue 3/2017
- Miriam Arndt-Gabriel, „Du erfüllst mein Leben: Warum Hunde uns glücklich und gesund machen“, in Dog’s Avenue 5/ 2017 und hier als pdf
- meine Blogartikel zu Thema „Mensch-Hund-Beziehung“
- Mein Film: „Viel Freiheit oder viel Training: was braucht dein Hund?“