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Habt Ihr auch vor einiger Zeit von dieser Studie gelesen, dass Facebook schlechte Laune mache? Und dass es irrational sei, es trotzdem ständig anzuschauen, obwohl man ja aus Erfahrung weiß, dass es einem schlechte Laune macht? Ich denke, das bezieht sich nicht nur auf Facebook, sondern auch auf Blogs, Newsletter und andere Formen der Selbstdarstellung: Es ist alles immer so großartig!

Nachdem ich mit einer Freundin darüber gesprochen habe, wie blöd sich das anfühlen kann, so etwas zu lesen, und dann mit seinem eigenen Hund rauszugehen, und der bellt immer noch andere Hunde an, obwohl man doch all diese großartigen Techniken auch probiert – habe ich überlegt, ob mein Blog eigentlich auch so ist. Ob ich so bin.

Ich finde es wichtig, als Trainerin zu verkörpern, dass Sachen auch funktionieren. Sonst käme ich mir unglaubwürdig vor. Wenn ich zum Beispiel erzähle, wie toll die Nomi „Look at that“/ Wo ist der Hund/ Click for blick kann, dann tue ich das, weil ich wirklich begeistert davon bin, wie gut das klappt, wie viel Spaß es ihr und mir macht, wie simpel und hilfreich es ist. Wenn man sowas hat, denkt man natürlich: „Das sollten alle machen!“

Ich finde, das ist ein Punkt, an dem sich ein guter Trainer von einem erfahrenen Hundebesitzer unterscheiden sollte: der erfahrene Hundebesitzer sagt jedem: Bei mir hat das geklappt, musst du auch machen. „Ey, bei mir hat Training mit dem Futterdummy geholfen (wogegen? egal!), musst du auch machen!“ (ihr kennt doch den Spruch „wenn man nur einen Hammer hat, beginnen alle Probleme wie Nägel auszusehen“, oder so ähnlich?)

Der Hundetrainer hat selber Hunde, bei denen manches klappt und manches nicht, und weiß, dass nicht jedes Mittel für jeden Hund und jeden Mensch und jedes Problem geeignet ist. Er hat einen Werkzeugkasten mit einer Reihe Werkzeugen, und versucht, mit dem erwachsenen Kunden, das richtige zu finden und die richtige Anwendung zu vermitteln.

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Wenn man etwas Glück hat, und etwas davon versteht, was man da tut, fangen die Leute irgendwann zu sagen „das ist ein guter Handwerker, geh da auch hin“. Natürlich will man dann selbst an seinem Haus nicht lauter krumm herausstehende Nägel haben (ok, das Bild ist hier etwas überreizt).

Ich finde, was Facebook & Co schüren, ist so ein Machbarkeitswahn. So ein „die anderen kriegen alles ganz toll hin (und wenn nicht, dann gehen sie total souverän damit um)“.

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Worauf ich hinaus will? Ich habe ja seit gut einem Jahr einen „Problemhund“, einen „schwierigen Hund“, einen „aggressiven Hund“ – meine Nomi. Und als Trainerin hatte ich natürlich auch mal den Anspruch an mich, „sie hinzukriegen“. Als Besitzerin will ich vor allem, dass es ihr gut geht.

Ich habe seit November meine Arbeit reduziert, und habe eine neue Situation: ich verabrede mich manchmal zu privaten Spaziergängen mit anderen Menschen und deren Hund(en). Und meinen Hunden. Ehrlich, das habe ich in den letzten Jahren nie gemacht – hatte ich schlicht keine Zeit für! Und in der Freizeit die ich hatte, schon wieder Hundespaziergang? Ach ne.

Jetzt habe ich also Zeit dazu, und Lust, und Gelegenheit. Heute zum Beispiel war ich mit jemandem verabredet, ich kenne sie nicht besonders gut, sie hat eine nette Hündin, mit der Nomi sogar schonmal spazieren war, sollte also klappen.

Natürlich hat es auch „geklappt“. Aber, Leute, was ich sagen will, ist: ich war total aufgeregt, und nicht im angenehmen Sinn. Habe mir gleichzeitig gesagt, die super-sensible Nomi dürfe nicht merken, wie viel Gedanken ich mir mache. Ich konnte mich auch überhaupt nicht frei machen von der Sorge, was diese Bekannte von mir denken würde, wenn mein Hund so ist, ob sie mich für eine unfähige Besitzerin oder gar Trainerin halten würde, und Nomi für ein gefährliches Biest. Ich habe all das gedacht und gefühlt, wovon ich versuche, meine Kunden zu entlasten. Ich habe jedes Mal gedacht „scheiße, ein anderer Hund“, Nomis Bellen war mir peinlich, die Rücksichtnahme meiner Bekannten war mir peinlich, ich war sofort schweißnass, ich habe die Hälfte meiner Signale und Pläne vergessen. Am liebsten hätte ich Nomi einfach nur den Hals umgedreht, damit endlich Ruhe ist. Oder sie tat mir so leid, dass ich sie gerne auf den Arm genommen und unter meine Jacke gesteckt hätte und vor der bösen Welt beschützt (ein Gefühl, das für den Hund ungefähr genauso hilfreich ist wie Wut). Ich habe das ganze Fass aufgemacht: mich damit beschäftigt, warum um Himmels willen sie so ist, wie sie ist (sie hat eine Menge Gründe), ob sie sich nicht einfach zusammenreißen kann (nein, kann sie nicht, und wenn sie es könnte, wäre es nicht gut für sie). „Ich will doch einfach nur normal spazieren gehen“, habe ich gedacht – ein Satz, den ich von meinen Kunden nur allzu gut kenne. Oder mir vorgeworfen, dass ich den armen Hund mit so was total überfordere und sie eben nicht hätte mitnehmen sollen.

Ich möchte eine gute Hundebesitzerin und eine gute Hundetrainerin sein. Aber ich bin nicht perfekt. Und: ich finde das alles nicht einfach. Einfach wäre gewesen, sie zu Hause zu lassen, und vielleicht davon zu erzählen, wie gut sie sich macht (das tut sie!). Ehrlicher ist es, zuzugeben, dass ich manchmal Schiss vor unseren Spaziergängen habe. Dass ich trotzdem immer wieder neu versuche, es gut zu machen. Als gute Hundetrainerin und gute Hundebesitzerin kann ich Nomi nicht heil zaubern. Sie ist nicht problemlos. Sie ist der stressanfälligste Hund, den ich kenne. Ich bin auch nicht einfach. Ich bin nicht, wie ich gern wäre. Mich stresst das.

Vielleicht ist das, was ich Euch sagen will, ein „trotzdem“. Kein trotziges trotzdem! „Wir können lernen, uns mutig in die eigene Weichheit und Verletzlichkeit hinein zu entspannen“, habe ich mal irgendwo gelesen, und denke oft daran, wenn ich mit Nomi auf eine nicht einsehbare Kreuzung zugehe. Pema Chödrön formuliert: „When we practice generating compassion, we can expect to experience the fear of pain. Compassion practice is daring. It involves learning to relax and allow ourselves to move gently towards what scares us.“

Nomi liegt jetzt neben mir auf dem Sofa, sie hat nach dem Heimkommen den ganzen Wassernapf ausgetrunken, und schläft jetzt.

Ich überlege, einen Blogartikel darüber zu schreiben, wie toll sie „wo ist der Hund“ gespielt hat mit den bellenden Ridgebacks, wie schön ihr Alternativverhalten funktioniert hat, wie gut es ihr tut, auszuweichen. Oder darüber, dass mir immer öfter im richtigen Moment die richtigen Sachen einzufallen scheinen. – Und dann stelle ich mir vor, diesen Blogartikel irgendwo anders in einem großartigen Trainingsblog zu lesen, mich vage inspiriert zu fühlen, und gleichzeitig ganz schlechte Laune zu bekommen…

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