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Wenn ich mit Habca und Nomi trainieren will, aber nicht weit fahren, gehe ich in den Rebstockpark. Hier gibt’s leider keine Rebstöcke, sondern vor langer Zeit mal eine Familie Rebstock. Aber ich gehe eh nicht hin, weil ich es besonders schön fände, sondern weil es nah ist, ich gut parken kann, und es hier in Trainingshinsicht viel „echtes Leben“ gibt, aber auch nicht zu viel: eine Hundefreilaufwiese, Hunde aller Art, viele davon auch irgendwie komisch. Einen Teich mit Enten, Schwänen, und sehr vielen Gänsen. Kaninchen. Kinder. Das Schwimmbad mit seinem Draußenbecken, aus dem gejohlt wird. Toll, oder? Für jeden was dabei!

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Hier kann auch der Tibetterrier im Kaninchenbau verschwinden. Könnte.

 

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Viel zu markieren: hier Nomi in einer Vorderfuß-hoch-Variante der Position „squat-rise“ nach Wirant McGuire 2004: Urinary behavior of female domestic dogs (Canis familiaris): influence of reproductive status, location, and age, Applied Animal Behaviour Science 85 (2004) 335–348

 

Mit Nomi gehe ich zur Zeit am liebsten „Hunde gucken“. So eine Art Privat-Social Walk, nur dass die anderen Teilnehmer nicht wissen, dass sie mitmachen. ;-) Und, zugegeben, ich nie weiß, ob nicht einer auf lustige Ideen kommt, wie seinen Hund ableinen und zu uns schicken. Das sorgt für einen gewissen Adrenalinspiegel meinerseits – und ich habe irgendwo gelesen, wie wichtig es ist, den Hund auch gegen die Anzeichen der eigenen Aufregung zu desensibilisieren. Kluger Gedanke, oder? Nomi jedenfalls ist zumindest zur Zeit sehr darauf gepolt zu schauen, wie ich (und Friedrich) eine Situation finde(n). So lange ich locker bin, ist vieles machbar. Aber wenn Frauchen nach Stress stinkt (ich glaube so empfinden die Hunde das) wird es schwierig für sie. Wenn ich zuhause unglücklich bin und mich aufrege, geht sie aus dem Zimmer – nicht ohne mir noch einen theatralischen Blick zuzuwerfen. Aber ich schweife ab. :-)

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Letzte Woche – als die Sonne so schön schien, erinnert ihr euch? – sind wir auf die Hundewiese gegangen. Zuerst spielen wir immer „Look at that“: Nomi zeigt mir Hunde, und kriegt dafür Kekse. Das kann sie mittlerweile so gut, dass es ein lustiges Spiel für sie ist. Ihr könnt den Husky da hinten am Schild wahrscheinlich kaum erkennen, aber in echt war der ganz schön nah. Und genau da hat der Besitzer ihn auch abgeleint.

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Habca hatte ja mal eine Husky-Hass-Phase. Ist aber schon länger her. Den hier hat sie angebellt! Was mich erst geärgert hat, aber für Nomis Training eigentlich gut war: Sie hat nämlich nicht mitgebellt. Habca bellt manchmal, und für Nomi zählt Habcas Wort doch noch mehr als meins ziemlich viel, und oft regt sie sich dann ganz doll auf und will mitkämpfen und weiß oft gar nicht um was es geht. Hier blieb Nomi also entspannt, obwohl Habca behauptet hat der Hund sei gefährlich, und obwohl Frauchen feuchte Hände hat. Toll, oder?

Wir haben so einen ganz kleinen Futterdummy mit zum Apportieren, Suchen, Verstecken. Nomi hat in letzter Zeit viel Tragen und Bringen geübt. Zuhause räumt sie jetzt immer auf, dann halten wir ihr die große Kiste hin, und sie sammelt das Spielzeug ein, das Habca den Tag über in der Wohnung verteilt hat. Das macht sie ganz toll.

Draußen Apportieren konnte Nomi bis vor einem Jahr gar nicht. Draußen ist schließlich gefährlich! Und sie ist sehr vorsichtig was Sachen angeht, die Habca toll findet. Wenn Habca dabei ist, dürfen die beiden meistens abwechselnd Apportieren. Am Anfang habe ich immer beide belohnt, wenn einer den Dummy zurück gebracht hat. Da hatte Nomi ziemlich schnell raus, dass sie eigentlich auch einfach bei mir sitzen bleiben kann. ;-)

Als ich dann nur noch den aus dem Beutel fressen ließ, der ihn gebracht hatte, war das ganze für sie klarer, und sie rannte und sprang begeistert zum Beutel hin. Wenn sie ihn gefunden hatte, nahm sie ihn manchmal kurz ins Maul, manchmal stand sie nur da, und dann kamen lauter Übersprungshandlungen: Kratzen, Wälzen, Gähnen, Weggehen und Rumschnuppern, oder sie machte Sitz oder Platz oder kam in einem großen Bogen zurückgetrottet. Ich fand das innerlich manchmal schwer auszuhalten. Ich wusste doch, dass sie es kann! Eigentlich! Gern hätte ich sie gedrängt, manchmal konnte ich mich nicht zurückhalten und feuerte sie ein kleines bisschen an – aber das half natürlich nicht.  Sie konnte es eben nicht. Oder: sie konnte nicht. Nicht in dieser Situation. Nicht, wenn man nicht weiß, wer gleich um die Ecke biegt. Ich habe also drinnen mit ihr viel Suchen und Bringen geübt, und da wurde sie allmählich lockerer. Sie, die alles immer nur so „mit spitzen Zähnen“ anfasste, schüttelte auch mal ein Stofftier. Oder warf es hoch und fing es wieder auf! Sie hatte Spaß. Draußen übten wir an ruhigen, gut einsehbaren Orten. Oder im Garten. Gleichzeitig arbeiteten wir an all den anderen Sachen: Vertrauen. Zuversicht. Rituale zum Umgang mit schwierigen Situationen. Viel Alternativverhalten. Viel gute Laune. Hunde gucken. Kein Druck.

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Letzten Freitag war es dann so weit: Sie konnte den Beutel apportieren. Mitten auf der Hundewiese. Den Husky im Rücken. Gab ihn mir auf ihre unnachahmlich umständliche Art in die Hand. Und: Sie strahlte dabei. Machte übertriebene Mäusel-Sprünge auf das Ding. Rannte. Ich traute mich gar nicht, es ein zweites Mal zu probieren. Ich gab ihre Jackpot-Party und wir spazierten noch ein wenig glücklich durch die Gegend, guckten einem Schäferhund zu, der eine Plastikflasche zerkaute, gingen am unangeleinten Husy vorbei, und fuhren nach Hause. Das Bild schaue ich mir seitdem lächelnd an. Es ist ein wenig aus der Hüfte geschossen, ja, schöner wäre es mit Augen, aber: es ist dieser eine wundervolle Moment. Ich weiß gar nicht, wer von uns beiden da stolzer und glücklicher war.