Beschwert Euch nicht, wenn Ihr über diesen Post weinen müsst. Ich tue es ja selbst.
Ich sitze hier und warte auf den Mobilen Tiernotdienst. Unser altes Meerschweinchen Ronja Räubertochter baut schon seit Wochen ab, und seit dem Wochenende kann sie ihre Hinterbeine nicht mehr bewegen. Sie liegt in ihrem Pipi und ihrer Kacke, hat dicken Rotz in der Nase, und ruft nach Futternachschub. Wir betten sie alle paar Stunden um, und jedesmal scheint sie ein bisschen weniger, ein bisschen leichter geworden zu sein. Jetzt ist ein Vorderbein auch nicht mehr in Ordnung. Sie ist neun, und hat schon lange Probleme, ich will ihr keine aufwändigen aussichtslosen Therapieversuche antun. Ich will ihr nichtmals mehr eine Autofahrt und eine Tierarztuntersuchung antun. Der Tiernotdienst kommt, um ihr zu ersparen, was unausweichlich wäre.
Ich weiß schon lange, dass es sehr bald so weit sein wird, und meine Traurigkeit trifft mich dennoch unvorbereitet. Es ist Traurigkeit, Abschiedsschmerz, gepaart mit etwas wie Wut. Ich will nicht, dass sie stirbt. Ich will nicht, dass hier überhaupt irgendjemand stirbt. Wenn der Bergretter im Schnulzenfilm zu der Frau die noch mit einem Finger an der Klippe hängt, sagt: „bei mir wird nicht gestorben“, dann stehe ich als erste voll dahinter! Ich rette, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, und es würde mir mehr liegen, mit „Zurücktreten!“ gleich den Defibrillator auszupacken und das Schweinchen wieder ins Leben zu schießen, als die Tierärzte um etwas zu bitten, was ich nicht will.
Ich lebe so sehr davon, zu hoffen, zu ändern, mich nicht abzufinden. An Veränderung zu glauben. In der Arbeit mit schwierigen, verhaltensauffälligen Hunden und ihren Besitzern geht es ja gar nicht anders. Für jeden Einzelnen ist ganz viel Veränderung, Verbesserung, möglich, das glaube ich ganz fest.
Aber manches kann ich nicht ändern. Und wenn ich die beste Trainerin der Welt wäre könnte ich es noch immer nicht ändern. Ich kann den wirklich überzeugten Jagdhund nicht davon abbringen jagen gehen zu wollen. Ich kann Nomi nicht umkrempeln. Ich kann nicht ungeschehen machen, was geschehen ist.
Ich kann nicht mehr viel für Ronja tun.
Die Tierärztin ruft an. Sie fährt jetzt los.
Wenn Ronja gestorben ist, wird ihr Partner Lance zu einer Freundin ziehen. Ich habe nicht genug Zeit, ihn so zu versorgen wie er es verdient. Das heißt, mit Ronja geht diese Phase meiner Meerschweinchenhaltung zu Ende.
Ich weiß noch so gut, wie ich das Trio an einem heißen Julitag aus dem Tierheim holte, und nach meinen liebsten Kinderbuchhelden umtaufte: Mio, Janna, und Ronja. Wie froh und zutraulich sie waren. In einer Zeit in der ich selbst sehr krank war, habe ich ihnen die prächtigste Meeri-Villa aller Zeiten gebaut. Ich habe sie viele Stunden lang still beobachtet, während ich Verhaltensforschung studiert habe. Ich hoffe, sie waren ein wenig glücklich.