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Wenn man (hier und heute) Hunde trainiert, hat man eine Unmenge an Methoden zur Auswahl. Methoden, um den Hund dazu zu bringen, etwas überhaupt einmal zu tun; Methoden, um ihm dieses Tun angenehm oder unangenehm erscheinen zu lassen; Methoden, um zu verhindern, dass der Hund etwas tut. Man muss (kann?) zwischen ethischen Grundsätzen wählen, man kann wählen, ob man Leuten glaubt, weil sie viel Erfahrung haben, oder gute Einschaltquoten im Fernsehen, oder weil sie gut aussehen, oder mir ihre Ausdrucksweise gefällt. Man kann das probieren, was beim Nachbarn funktioniert hat, oder bei den fünfzehn Hunden, die man vorher hatte. Man überträgt eigene Erziehungserfahrungen auf den Hund („hat mir auch nicht geschadet“), oder man googelt sein Problem erstmal. Man kann versuchen, Studien zum Thema zu finden (kastrieren oder nicht?), oder auf sein Bauchgefühl zu hören, oder Ratgeber-Bücher durchzulesen.

Für Hundehalter ist bei der Auswahl einer Methode erstmal das wichtigste, dass sie „funktioniert“: Was auch immer mir ein Trainer vorschlägt, was ich tun soll, damit der Hund aufhört zu bellen: er muss am Ende aufhören zu Bellen. Das ist die „Wirksamkeit“ oder „Effektivität“.

Für die (scheinbar) wirksamen Herangehensweisen kann man sich bewusst oder spontan entscheiden. So oder so kann man der Tatsache nicht entfliehen, dass man, sobald man mit einem Hund etwas tut, ethische Entscheidungen trifft. Man entscheidet für sich: darf ich einem mir anvertrauten/ ausgelieferten Lebewesen das antun? Darf ich ihm Schmerzen zufügen, darf ich ihm Fressen vorenthalten, um es besser später belohnen zu können? Darf ich ihm, so oder so, meinen Willen aufzwingen? Zu welchen Zwecken darf ich welches Mittel einsetzen? Darf ich einfach mal was ausprobieren (heute das mit dem Clicker, morgen das Halti, übermorgen Einschüchterung), oder kann es eine Pflicht geben, mich vorher zu informieren? Wenn ich es darf, ist es dann auch „gut“, das zu tun? Kann ich es in Übereinstimmung bringen mit meinem Selbstbild? Bin ich jemand, der „so etwas“ tut? Will ich so sein?

Das heißt, außer der „Wirksamkeit“ brauchen wir weitere Kriterien, wie wir entscheiden sollen, welches Vorgehen uns „gut“ oder „richtig“ erscheint.

Susan G. Friedman – und mit Bezug auf sie viele moderne Trainer – schlagen als dieses Kriterium die „intrusiveness“ der Trainings-Maßnahme vor.  Wörtlich übersetzt heißt das die „Aufdringlichkeit“, sie übernimmt es aus der Literatur über menschliche Verhaltensänderung und meint den Grad, in dem der Lernende selbst die Kontrolle während des Lernens behalten kann.

Kontrolle über die Umwelt und über sich selbst zu haben, scheint das Ziel von Verhalten überhaupt zu sein. Susan G. Friedamn sagt:

„Control is a primary reinforcer, to deprive an animal of control is akin to depriving them of water, food. To the greatest extent possible all animals should be empowered to exercise personal control over significant environmental events.“

(https://www.psychologytoday.com/blog/behavior-works/201002/trainers-jackhammers-need-not-apply)

und über Grisha Stewarts BAT 2.0:

When I ask behavior professionals, “What are your eyes for?” they enthusiastically reply, “To see!” But when I ask, “What is your behavior for?” conference rooms fall silent. In BAT 2, Stewart provides the essential answer to this all-important question: Behavior is to have an effect, that is, to be effective.  By safely allowing dogs more control over their own outcomes, especially in challenging conditions where fearful, frustrated and aggressive behavior is most likely, caregivers will be more successful shaping independent, competent, confident companions.

Es gibt derzeit viele interessante Ideen, wie man so trainieren kann, dass der Hund möglichst viel Kontrolle behält. Und es ist eine Herausforderung, aus mehreren möglichen Interventionen die Maßnahme herauszusuchen, die am wenigsten invasiv ist. Susan G. Friedman hat dazu eine Pyramide aufgestellt, welche Eingriffe sie für wie invasiv hält (in ihrem frei verfügbaren Text „What’s wrong with this picture?„).

Wie viel angenehmer ist es für uns selbst, wenn der Arzt sagt „legen Sie mal Ihren Arm hierüber“, im Vergleich dazu, dass er den Arm einfach nimmt und platziert? Oft geht es ja um solche Kleinigkeiten: muss ich den Hund packen und festhalten, um ihn anzuleinen? Muss ich an der Leine ziehen, um ihn auf die andere Seite des Gehwegs zu bekommen? Kann ich ihn stattdessen bitten, herüber zu kommen? Kann ich ihm beibringen, meiner Zeigegeste zu folgen?

Das schöne, berührende und manchmal erstaunliche ist, dass es tatsächlich funktioniert, mit Tieren verschiedener Arten in diesen Dialog zu treten: Man kann sie bitten, sich so zu positionieren, dass der Tierarzt ihnen Blut abnehmen kann, man kann sie den Zeitpunkt bestimmen lassen, man kann sie lehren, „Ja“ und „Nein“ zu sagen – und sie sagen meistens „Ja“. Ist das erstaunlich? Wie oft sage ich beim Arzt „ne, mache ich nicht“? Ich würde behaupten: genau dann, wenn es einen guten Grund gibt, das Verhalten, um das er mich gebeten hat, nicht auszuführen. Zum Beispiel, weil es mir weh tut. Das heißt: wir haben als Bonus sogar noch einen Weg gefunden, wie das Tier auf eine Weise sagen kann, dass es ein Verhalten jetzt nicht ausführen kann oder will, die niemandem weh tut!

Mehr dazu:

 

 

Comments
  • Petra

    Es macht immer wieder Spaß Deinen Text zu lesen.
    Und die wertvollen Links erst – Supi.

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